piwik no script img

Ein ärztliches Sicherheitsrisiko

Es geht da weniger um mich“, sagt Mads Gilbert: „Es geht um das Recht der Palästinenser auf dringend notwendige medizinische Hilfe.“ Schon drei Jahrzehnte lang engagiert sich der norwegische Arzt für Kriegsopfer in Nahost. Erst im Libanon, dann in Gaza. Seit über einem Jahrzehnt arbeitet er am Shifa-Hospital in Gaza-Stadt. Zuletzt im Sommer, als er bei der Versorgung der über zehntausend Verletzten aus dem 50 Tage dauernden Krieg mit Israel half.

Im Oktober wurde er bei einer erneuten Einreise am Grenzübergang Erez von israelischen Soldaten gestoppt: Für ihn bestehe Einreiseverbot und zwar ein „lebenslängliches“. Ende vergangener Woche wurde das offiziell gegenüber Norwegens Botschaft in Israel bestätigt – ohne weitere Konkretisierung begründet mit „Sicherheitsbedenken“.

„Für Israel ist anscheinend die Wahrheit ein Sicherheitsrisiko“, sagt Gilbert, der im Alltag Oberarzt für Notfallmedizin am Universitätskrankenhaus in Tromsø ist. Nicht zu Unrecht vermutet er, dass seine Kritik an Israels Menschenrechtsverletzungen, mit der er regelmäßig auch von TV-Sendern wie BBC oder CNN zitiert wurde, der wahre Grund des Einreiseverbots ist. Ein Außenamtssprecher in Tel Aviv warf ihm „systematische Dämonisierung Israels“ vor. Israel führte wiederholt Medienkampagnen gegen den unbequemen Arzt.

Gilbert, der auch ein Gaza-Buch verfasst hat, wehrt sich gegen den Vorwurf, ein „Hamas-Doktor“ zu sein: „Ich unterstütze keine politische Gruppierung, sondern das palästinensische Volk.“ Äußerungen zu 9/11, die als Rechtfertigung des Terroranschlags verstanden wurden, nannte er später „unüberlegt“ und stellte klar: „Ich lehne Terror gegen Zivilisten vollständig ab.“ Der 67-jährige Witwer und Vater von zwei Töchtern war als Kommunalpolitiker in der sozialistischen Partei Rødt aktiv, und unter seinen rund einem Dutzend Auszeichnungen sind auch ein Orden des norwegischen Königs und die Ernennung zum „Norweger des Jahres 2009“. Das Außenministerium in Oslo nennt das Einreiseverbot inakzeptabel und bemüht sich um Aufhebung. Gilbert hofft auf Erfolg: „Ich habe weder gegen ein Gesetz verstoßen, noch habe ich provoziert. Die Realität in Gaza ist die Provokation.“ REINHARD WOLFF

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen