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Die Zukunft geht weiter

Seit einigen Jahren darf man sich wundern, dass es jede Menge neue Musik gibt, die weniger nach Gegenwart oder gar Zukunft als nach Vergangenheit klingt und gern mit originalgetreuen Rekonstruktionen ihrer Vorbilder auf sich aufmerksam macht. Ob Sixties-Soul der Sorte Amy Whinehouse und Konsorten oder Achtziger-Wiederbelebungen in Gestalt von Postpunk und Synthiepop – irgendwie will das Neue auf einmal um jeden Preis alt sein.

Jetzt hat der Autor Simon Reynolds die Sache endlich auf den Begriff gebracht: „Retromania“ heißt die Fixierung im Pop auf die jüngere Vergangenheit, die alles Visionäre und jegliche Aufbruchsstimmung, wie sie vergangene Dekaden stets auszeichneten, komplett vermissen lässt. Die Zukunft hat ausgedient, und die Gegenwart spielt sich im Archiv ab, das obsessiv katalogisiert und nach repräsentativen Klangexponaten durchforstet wird. Zum Glück gibt es immer noch Musiker, die sich ihren eigenen Reim auf die Tradition machen und selbst in ihren Rückschauen zu einem neuen Vokabular finden. Die vorherrschende Perspektive scheint aber auch hier eine historische zu sein. Was machen da eigentlich die Musiker, die sich ihren futuristischen Fortschrittsoptimismus nicht nehmen lassen wollen? Sind die komplett retro oder etwa prä-retro, mithin noch nicht einmal in der Gegenwart angekommen – in der die Zukunft ja nicht mehr ist?

Die beiden Londoner Produzenten Alex Green und Damon Kirkham, bekannt unter dem Namen Instra:Mental, beschäftigen sich eigentlich mit Drum ’n’ Bass, den sie mit dem Willen zum Experiment gegenwartstauglich machen. Für ihr Debütalbum „Resolution 653“ haben sich die beiden allerdings eine unerwartete Strategie überlegt und sind bei einem Techno-Entwurf gelandet, der direkt an die Innovationsverheißungen der frühen Neunziger anknüpft. Die Musik scheint auf den ersten Blick fest in der Detroiter Techno-Tradition zu stehen und lässt sich auch artig auf die Anforderungen des Clubs ein. Doch die Details sprechen eine andere Sprache: So macht es sich das Duo mit der tanzflächenüblichen Monotonie nicht allzu einfach, sondern variiert seine Klänge und Rhythmen fast permanent. Die Versuchsanordnung scheint gelautet zu haben: Wie viel Abwechslung verträgt ein Techno-Track, ohne seinen Charakter als Track zu verlieren? Das Ergebnis lässt sich locker über den Tag hinaus nutzen und weiterentwickeln. Vielleicht ist die Zukunft ja doch nicht vorbei.

TIM CASPAR BOEHME

■ Instra:Mental: „Resolution 653“ (Nonplus); live: Icon, heute, 23.30 Uhr

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