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Franco? Vergangenheit? Was ist das?

Spanien tut sich schwer mit seiner Vergangenheit. Am 18. Juli jährte sich zum 75. Mal der Putsch der Militärs unter Führung des Generals Francisco Franco gegen die Republik. Der Jahrestag sollte Anlass für deutliche Worte sein, das forderten die Parteien der Linken vom sozialistischen Parlamentspräsidenten José Bono.

Der Staatsstreich hatte drei Jahre Bürgerkrieg und eine fast 40 Jahre dauernde Diktatur zur Folge. Hunderttausende verloren bei den Kampfhandlungen ihr Leben. Weit über 100.000 Demokraten, Gewerkschafter und Linke wurden im Krieg und in den Jahren danach standrechtlich erschossen oder verschwanden ganz einfach. Bis heute suchen viele Familien die Ihrigen in Massengräbern überall im Land. Bono versprach klare Worte. Doch was dann über seine Lippen kam, war einmal mehr der offizielle Diskurs, der keine Schuldigen benennt. „Anerkennung denen, die bei der Verteidigung ihrer Ideale starben“, forderte Bono, egal ob Demokraten oder Faschisten. In einer anschließenden Abstimmung zur Aufhebung des Amnestiegesetzes, das seit dem Ende der Diktatur 1975 eine Strafverfolgung der Urheber für die politische Säuberung des Landes verhindert, stimmten katalanische Nationalisten, die konservative Volkspartei (PP) und die sozialistische PSOE von Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero gemeinsam für den Status quo. „Wunden können nicht durch Vergessen geheilt werden“, mahnte einer derer, die den Antrag vergebens eingebracht hatten.

„Eine Schande, dass Bono so etwas angesichts der größten Verbrechen sagt“, beschwert sich Emilio Silva, Vorsitzender der Vereinigung zur Wiedererlangung des Historischen Gedenkens. Er grub vor zehn Jahren seinen Großvater aus und sorgte damit für Nachahmer überall im Land. Die Justiz ignoriert bis heute die Verbrechen. Einzig Richter Baltazar Garzón hatte den Mut, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu untersuchen. Die Staatsanwaltschaft bremste ihn aus, das Oberste Gericht ermittelt gegen ihn wegen Rechtsbeugung. Er habe die Ermittlungen aufgenommen, obwohl das Amnestiegesetz ebendies verbiete. Garzón wurde vom Dienst suspendiert. Seine Ermittlungsunterlagen – 90 GB an Information – sind jetzt im Internet einsehbar. Die Tageszeitung Público hat die Akten online gestellt: www.publico.es/especial/memoria-publica/.

„Jetzt ist gut. Es ist an der Zeit die Büchse der Pandora wieder zu schließen“, schreibt die konservative Tageszeitung ABC über die unermüdlichen Versuche der Opfer, Gerechtigkeit zu erlangen. Vergessen statt Aufarbeitung, lautet auch 75 Jahre danach die Devise des offiziellen Spaniens – von den Sozialisten bis nach ganz rechts außen.

REINER WANDLER

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