: Wenn ich einmal reich wär ...
Vom privaten deutschen Sammlerstolz, der sich der öffentlichen Präsentation nicht verweigert. „Rockers Island“ heißt die Ausstellung im Museum Folkwang in Essen. Der Endokrinologe Thomas Olbricht zeigt dort seine ungeheure Kunstmarkt-Beute
AUS ESSEN PETER ORTMANN
Unter Neid versteht man das ethisch verwerfliche Verübeln der Besserstellung konkreter Anderer. Dennoch ist dieses Gefühl ein ausreichend guter Grund, am Sonntag ins Essener Museum Folkwang zu gehen. Es ist der letzte Tag der Ausstellung „Rockers Island“ , die einen besonders großen Querschnitt aus der Kunstsammlung des Essener Endokrinologie-Professors Thomas Olbricht zeigt. Gleichzeitig ist es der letzte Tag, an dem der Besucher das renommierte Museum in seiner alten Gesamt-Architektur sehen kann. Denn der Bauteil vom 1983 wird wieder abgerissen. Er macht Platz für den Entwurf des Stararchitekten David Chipperfield, der, finanziert von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, dem Folkwang Museum bis zum europäischen Kulturhauptstadtjahr 2010 ein neues Gesicht geben darf. An diesem letzten Öffnungs-Tag gibt es deshalb freien Eintritt in die Sonderaustellungen „Nachbau“ von Simon Starling und in die Olbricht Collection, wo zusätzlich ein Videoprogramm läuft – dazu hat man die herrliche Neid-Komponente.
Denn was der Internist in den letzten 15 Jahren an internationaler Gegenwartskunst zusammengetragen hat, verschlägt einem fast den Atem. Eric Fischl, Damien Hirst, Katharina Fritsch, Gerhard Richter, Daniel Richter, Cindy Sherman, Andy Warhol, um nur einige zu nennen - die Liste scheint unverschämt vollständig zu sein. Vor vielen Werken hat man in anderen Ausstellungen gestanden, sie sich an die Wohnzimmerwand gewünscht und konnte sich dann doch nur den Katalog leisten. Neid ist zwar ethisch verwerflich, aber wer kann einem Kunstliebhaber das Gefühl in Essen verübeln?
Der Gang durch diese Ausstellung ist als Abenteuerreise der Wahrnehmung angelegt, mit unvorhersehbaren Wechseln von thematischen Zuordnungen, bildnerischen Dialogen und Einzelpräsentationen ausgewählter Künstler. Im Parcours folgt Figuration auf Abstraktion, Portraits auf erotische Sujets, Memento mori auf Zitate der Popkultur. Im Duisburger Museum Küppersmühle scheint Olbricht die Bilder der chinesischen Künstler fast aufgekauft zu haben.
Aber die Sammlung umfasst auch Vergänglichkeitsdarstellungen des 16. bis 18. Jahrhunderts, Glasobjekte des Jugendstils, sowie medizinisch-naturwissenschaftliche Anschauungsobjekte, wie beispielsweise Fowlers Phrenologischer Schädel – alles in einer speziellen Wunderkammer arrangiert. Dazu Spielsachen wie eine endlose Matchbox-Auto Sammlung, die nur aus Rettungswagen besteht, oder ein Schachspiel, auf dem sich Gut und Böse als historische Persönlichkeiten gegenüber stehen. Olbricht scheint auch ganze antiquarische Flohmärkte in Europa leer gekauft zu haben. Seine Depots müssen Fabrikhallen sein.
Verübeln sollte man ihm das aber nicht. Und natürlich sollte nur augenzwinkernder Neid aufkommen. Denn der Mediziner fühlt sich, im Gegensatz zu vielen anderen internationalen Privatsammlern verpflichtet, seine Kunstbeute der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Danke.
Museum Folkwang, Essen Sonntag, 10:00 bis 18:00 Uhr, Letzter Tag, Eintritt frei
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen