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Lethargie zum Jahrestag

Die Städtepartnerschaft von Berlin und Paris wird heute 20 Jahre alt. Dass fast niemand richtig feiert, liegt am mangelnden Interesse auf deutscher Seite, meinen Expertinnen. Immerhin gibt’s ein zweisprachiges Schülertheater

Im Gegensatz zu vielen anderen Touristen sind Marine Dartiailh und Sarah Flicoteaux nicht zum Potsdamer Platz gekommen, um Eis zu essen oder einzukaufen. Die beiden 13 Jahre alten Pariserinnen wollen sich von dem futuristisch anmutenden Ort inspirieren lassen. Denn die Türme dort ähneln ein wenig den Bauten in Fritz Langs legendärem Stummfilm „Metropolis“. Und die jungen Französinnen sind nach Berlin gekommen, um als Mitglieder einer deutsch-französischen Theatergruppe ein in Anlehnung an Lang „Metropole“ betiteltes Stück aufzuführen. Der Anlass: das 20-jährige Jubiläum der Städtepartnerschaft von Berlin und Paris, die seit dem 2. Juli 1987 besteht.

Wenn sie heute Abend mit Schülern des Romain-Rolland-Gymnasiums auf der Bühne des Reinickendorfer Fontane-Hauses stehen, werden die NachwuchsschauspielerInnen die Einzigen sein, die an den Jahrestag erinnern. Die Senatsverwaltung hat für das Jubiläum keine Veranstaltung organisiert. Das erstaunt – hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) doch seit Anfang des Jahres das Amt des Bevollmächtigten der Bundesregierung für deutsch-französische Kulturbeziehungen inne. Es sei zeitlich nichts einzurichten gewesen, sagt Senatssprecher Michael Donnermeyer. Im Herbst würden anlässlich des Jubiläums die Designerszenen beider Städte dem jeweiligen Partner vorgestellt. Am 19. September eröffnet im Märkischen Museum die französische Ausstellung „Design Reference Paris“.

Der Mangel an Initiativen zum Jahrestag ist für Ulla Brunkhorst ein „allgemeiner Trend“ der deutsch-französischen Beziehungen. „Die Städtepartnerschaften haben in den letzten Jahren viel Elan verloren“, sagt Brunkhorst, die bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik für den „Deutsch-Französischen Zukunftsdialog“ zuständig ist. Die Notwendigkeit der Nachkriegsjahre, aktiv etwas für die Versöhnung zu tun, bestehe nicht mehr. Gerade bei der jungen Generation sei ein nachlassendes Interesse am Partnerland festzustellen. Um dem entgegenzuwirken, hat die Gesellschaft am 22. Juni in Berlin ein erstes Treffen mit je zehn jungen Nachwuchskräften aus Frankreich und Deutschland initiiert, die etwa an der französischen Botschaft, beim Radio oder an der Universität tätig sind.

Heike Hartmann, verantwortlich für den Bereich Jugend und Partnerschaft beim Deutsch-Französischen Jugendwerk in Berlin, sieht ähnlich wie Brunkhorst den fehlenden Generationswechsel in den Partnerschaftskomitees als Grund für die Lethargie. „In den verantwortlichen Gremien ist eine gewisse Alterung festzustellen“, sagt sie. Mit einer Tagung in Paris im Oktober möchte das Deutsch-Französische Jugendwerk Vereine und Stadtverwaltungen beraten, wie sie besser die Jugend in neue Austauschprojekte integrieren können.

Hartmann begrüßt Initiativen wie die der französischen Regisseurin Corinne Kemeny, die mit ihrer zweisprachigen Theaterarbeit eine Partnerschaft zwischen Reinickendorf und Paris-Antony neu belebt hat. Die Pariserin will damit die Kinder fördern. „Sie verstehen alle Konflikte. In der Auseinandersetzung mit Fritz Langs Film stellen die Jugendlichen selber Verbindungen zu den Problemen der beiden Großstädte her“, sagt die Regisseurin. Die Arbeiterszenen assoziierten sie mit den Fernsehbildern der brennenden Autos in den Banlieues, die Szene der Arbeiterrevolution mit den Unruhen im vergangenen Jahr in Paris. NADJA DUMOUCHEL

„Metropole“: 20 Uhr, Fontane-Haus, Wilhelmsruher Damm 142c. Eintritt frei

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