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berliner szenen Kartoffelschäler

Neid lohnt selten

Meine Freunde haben ein kleines Häuschen am Stadtrand, einen schönen Garten mit Rosenstöcken und einem Swimmingpool, Südseite, und niedliche vierjährige Zwillinge, Mädchen und Junge. Überflüssig, zu sagen, dass ich sie beneidete.

Neulich war ich zum Grillen bei ihnen. Es war ein knallheißer Tag, unsere Füße ließen wir in den Swimmingpool baumeln. Wir plauderten ein bisschen über alles Mögliche, bis sie plötzlich beiläufig erwähnten, dass sie sich scheiden lassen wollten. Ich verschluckte mich an meinem Sojawürstchen und sah sie schockiert an. Ja, erläuterten sie, ihre Ehe sei zur reinen Zweckgemeinschaft verkommen. Alles hätten sie in das Haus gesteckt: ihre Zeit, ihr Geld, ihre Energie – da sei zum Leben nichts mehr übrig geblieben. Auch der Sex sei nicht mehr das Wahre. Aber sie würden Freunde bleiben, sich friedlich trennen, nur einen Anwalt nehmen, alles gerecht aufteilen, auch die Zwillinge. Nur, hier lachten sie, über den Kartoffelschäler würden sie sich wahrscheinlich nicht einigen können, 80 Euro, Edelstahl, das beste Küchenwerkzeug, das sie je besessen hätten.

Katja holte den Schäler aus der Küche und hielt ihn mir hin. Das wird wohl der einzige Streitpunkt werden, sagte sie, ihren Noch-Ehemann anlachend, der ebenfalls grinste. Ich nahm das Teil vorsichtig aus ihrer Hand und begutachtete es. Wochen später hörte ich von anderen Freunden, dass sie tatsächlich in Streit geraten waren. Nicht nur um den Schäler, sondern um alles andere auch. Seitdem reden sie kein Wort mehr miteinander. Die Zwillinge haben kreisrunden Haarausfall und müssen zum Kinderpsychologen. Wer den Kartoffelschäler letztendlich bekommen hat, weiß ich nicht. Vielleicht der Anwalt.

SANDRA NIERMEYER

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