hamburger szene: Gegen den Strom
Auf der A 1, kurz vor Hamburg. Es ist Anfang Juli, regnerisch und kalt. Qualmende Autokolonnen, so weit das Auge reicht: Stau. „Noch nicht mal dieser ganze Verkehr nützt etwas“, sagt meine Mitfahrerin und knöpft ihre Jacke zu. „Ich lasse schon immer extra das Licht an, von wegen Klimaerwärmung.“ Der Nebenmann wird wach: „Vattenfall plant ein neues Kohlekraftwerk in Moorburg.“ Dessen CO2-Ausstoß, führt er aus, übersteige wohl den des gesamten Hamburger Verkehrs – „vielleicht nützt das ja“.
Ich mache das Radio an. Anrufer können Tickets für das „Live Earth“-Konzert gegen die globale Erwärmung gewinnen, wenn sie eine Frage beantworten: Was tun Sie im Alltag, um Energie zu sparen? Es folgen Erlebnisberichte über ausgetauschte Glühbirnen und Steckdosenleisten mit Schalter. Und schon beim Frühstück sei der elektrische Eierkocher der gusseisernen Herdplatte vorzuziehen. Jetzt ist jemand in der Leitung, der seinen Trecker nur noch auf halber Leistung fährt. Ich denke über die letzte Stromrechnung nach und höre nicht mehr genau hin.
Irgendwann erreichen wir die Stadt. Kurz vorm Ziel ist die Straße gesperrt: Eine kleine Kundgebung von Leuten mit Gitarre und Thermoskanne vor dem Untersuchungsgefängnis Holstenglacis. Ich ärgere mich, wende und fahre auf der Gegenspur zurück. Was stand auf dem Transparent? „Willkommen in der Freiheit“, glaube ich, und: „Der Kampf um die Atompolitik im Land geht weiter.“ KATRIN BONNY
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