die taz vor zehn jahren über vergewaltigungsvideos von bundeswehrsoldaten:
In einem Zelt mit der Aufschrift „Bundeswehr“ wirft sich ein Mann im Tarnanzug auf eine „Frau“. Vor dem Zelt warten Soldaten und essen. Eine Stimme ertönt: „Die Schlange ist lang. Alle Soldaten wollen auf eine Frau. Die Wartezeit überbrücken die Jungs mit einer warmen Mahlzeit.“ Es waren Soldaten der Bundeswehr, die mit der Videokamera diese inszenierte Massenvergewaltigung filmten. Diese Bilder scheinen die alte feministische These zu belegen, daß sich im Militär beispielhaft Gewalt und Männlichkeit verschränken. Wo Männer sich unterwerfen, gehört Gewalt gegen Frauen notwendig dazu. Das weiß jede, die schon mal mit Soldaten einen Eisenbahnwaggon teilen mußte.
Nun sind die Soldatenphantasien zu Bildern geworden. Und diese Bilder bedienen selbst wiederum Phantasien. Deshalb erzeugen sie in den Medien einen ebenso lauten wie scheinheiligen Aufschrei. Zitat Bild am Sonntag: „Es sind entsetzliche Bilder. Es sind Bilder der Schande.“ Dann folgen die Bilder. Das Video zeigt aber mehr als Altbekanntes. Es entstand 1996 während der Vorbereitung auf einen Ifor-Einsatz in Bosnien. Es sagt viel über die Bundeswehr, wenn dieses Training einige Soldaten zu diesen Bildern bewegte. Die Soldaten überreagieren gewissermaßen im Namen der Bundeswehr, die Auslandseinsätze braucht – gerade nachdem das Ende des Kalten Krieges ihre Legitimation in Frage gestellt hat. Seit die Bundeswehr Auslandseinsätze plant, strömt eine neue Spezies von Soldaten ins deutsche Militär: harte Männer. Die Erfahrung mit Krieg, die der Bundeswehr in der Wirklichkeit „fehlt“, scheint in den Bildern als entgrenzte Gewaltphantasie wiederzukehren. Das ist eine denkbar schlechte Voraussetzung für „Friedenseinsätze“ in Ex-Jugoslawien, bei denen Menschen, die Unvorstellbares erlebt haben, Anspruch auf besonders sensiblen Umgang hätten. Nun sieht es aus, als würden sie Soldaten gegenüberstehen, denen sie als Folie für Gewaltphantasien dienen. Karin Gabbert, taz vom 7. 7. 1997
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen