: Mister Garten 07
Bremen sucht den schönsten Kleingarten. Die Gärtner wollen zeigen, wie vielfältig ihr Hobby hinter Hecken ist und einen hoffnungsvollen Kandidaten zum Bundesausscheid schicken
Bremens Kleingärtner reagierten nachsichtig-unwirsch, als sie „Schrebergärtner“ genannt wurden. Der weit verbreitete Irrtum sei hiermit aufgeklärt: Der erste Schrebergarten war eine Wiese für Kinder von Fabrikarbeitern, die dort unter pädagogischer Aufsicht spielen konnten. Die Beete wurden dann aber von den Eltern bewirtschaftet, daraus entwickelte sich der Gartencharakter. Und noch etwas: Erfinder ist der Leipziger Lehrer Ernst Innozenz Hausschild, der Arzt Daniel Gottlob Moritz Schreber nur der Namensgeber. Und Bremens Kleingärtner sind Kleingärtner. FEZ
VON FELIX ZIMMERMANN
Die Kleingartenbewertungskommission geht um. Es ist Zeit für die Frösche, ins Wasser zu springen. „Plopp“ macht es bei den Dünnen und „platsch“ bei den Dicken. Jemand fragt: „Wo kommen die denn her?“ Da hüpft wieder einer aus dem Gras, direkt ins Nass, das bedeckt ist von einer Schicht grüner Entengrütze, durchbrochen nur von einer Spur, die ein Bisam hinterlassen hat, als er auf Futtersuche hindurchschwamm.
Herrlich muss es sein, Frosch zu sein in dieser Kleingartenanlage namens Bremen-Süd: Durchzogen von Wasserläufen ist sie. Das Gras an den Uferböschungen wächst hoch. Darin verstecken sich die Frösche gern. Im Moment stören nur die Kleingartenbegeher. Aber die finden die hüpfenden Frösche niedlich, sehen ihr zahlreiches Vorkommen als Zeichen für ökologisch sachgerechte Gartenpflege und werden das positiv bewerten. Insofern dient die malerische Angst der Frösche den Kleingärtnern von Bremen-Süd, denn die nehmen am Landeswettbewerb 2007 um die beste Kleingartenanlage Bremens teil.
26 von gut 100 Vereinen in Bremen und Bremerhaven haben sich beworben für den Wettbewerb, der alle zwei Jahre stattfindet. Bremens 18.000 Kleingärtner werden im November gespannt registrieren, welche beiden Anlagen als Sieger für den Bundeswettbewerb zugelassen werden und wie sie dort abschneiden. Etwas anderes als ein Platz ganz vorne wäre eine Enttäuschung. Bremer Kleingärten gehörten immer zur Spitzengruppe.
Seit zwei Tagen sind die Prüfer unterwegs, von morgens früh bis zum späten Nachmittag. Sie waren in Bremerhaven und in Bremen-Nord. Heute ist Bremens Süden dran, die Anlage mit den Fröschen eine der letzten auf der Tour. Zum ersten Mal scheint die Sonne, „meistens hatten wir strömenden Regen“, sagt der Komissionsvorsitzende Reinhard Behr vom Referat Grünordnung beim Senator für Bauen und Umwelt. Ob das ein Vorteil für die Anlage Bremen-Süd ist? Die Komission schweigt, das Ergebnis ist geheim, es wird nur eine Tendenz verraten: In den Gärten wird mehr Gemüse angebaut als in den vergangenen Jahren.
Mit Behr gehören noch je ein Vertreter von den städtischen Gartenbauämtern in Bremen und Bremerhaven und je einer von den Gartenfreunden der beiden Städte zur Jury. Mit Bewertungsbögen ziehen sie durch die Gärten, fragen nach öffentlichen Spielplätzen und Liegewiesen, achten auf den Zustand der Wege, lassen sich das Vereinsheim zeigen und fragen nach dem Zustand der Geselligkeit. Sie sehen die Höhen der Hecken und die Größe der Grashalme, am Ende tragen sie Punkte von eins bis zehnin ihre Tabellen ein.
Der Wettbewerb soll Ansporn für die Kleingärtner sein, aber es geht auch um die Öffentlichkeit. Das Gerede außerhalb der Parzellen über die Leute hinter den Hecken, die maximal einen Meter zehn hoch sein dürfen, ist groß. Sie werden belächelt und fühlen sich außerhalb ihrer Kreise immer noch nicht ernst genommen. Der Wettbewerb soll zeigen, wie „interessant Kleingärten für alle Menschen, ob alt und jung, egal welcher Nationalität sind“, und dass sie mehr böten als nur Gartenarbeit. Es gibt Lehrgärten für Schulklassen, es gibt Angebote für Behinderte und Programme für Senioren. Bis zu 20 Prozent Ausländeranteil sind längst normal.
Der Vorsitzende des Landesverbandes der Gartenfreunde Bremen, Hans-Ulrich Helms, ist seit 1972 Kleingärtner. Für ihn gibt es nichts Schöneres. Anstatt für viel Geld an die Küste zu fahren, zieht er das Werkeln und Ausspannen auf seiner Parzelle vor. „Die berühmte ein Meter-und-zehn-Hecke, wer nur die sieht, hat sich nicht informiert. Das wird längst nicht mehr so dogmatisch gesehen“, sagt er, „Kleingarten, das ist so eine tolle Sache.“ Helms‘ Ansicht scheint sich durchzusetzen. Der Trend, der in anderen Städten längst spürbar ist, nun auch in Bremen anzukommen: Junge Familien klopfen an und wollen gärtnern, weil sie zwar im schönen Altbau wohnen, sich dort aber schlecht ins Gras legen können. Allein in den letzten 14 Tagen sind fünf Familien mit Kindern bei Helms eingetreten.
In der Anlage Bremen-Süd wirft die Wettbewerbs-Jury einen Blick ins Vereinsheim. Das haben die Mitglieder in den 70ern selbst gebaut. Der Saal ist riesig und wird gerne genutzt, der VorsitzendeReinhard Schäfer sagt: „Wir pflegen die Gesellschaft“ und zählt auf: „Tanz in den Mai, Grünkohlabend, Matjesessen, Klönschnack mit Hühnchen, Pommes und Salat, einmal im Monat Sonntagsfrühschoppen, Weihnachtsfeier mit Preisskat und Nikolaus für die Kinder.“ Es ist eine Menge los in Bremen-Süd. Die Beteiligung ist groß. Von den ausländischen Mitgliedern machen vor allem die Osteuropäer mit. Die türkischen Mitglieder bleiben eher unter sich, „aber es gibt keine Probleme“, sagt Schäfer.
Dann ist der Besuch zu Ende. Zwei Anlagen noch und die Jury zieht sich zur Besprechung zurück. Die Frösche von Bremen-Süd werden ein Thema sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen