piwik no script img

local shortcuts

Im Bazar der Geschlechter Deutschland/Österreich 2009, R: Sudabeh Mortezai Das Leben im Iran scheint freudlos zu sein. So suggerieren es zumindest die Reportagen, Berichte und Geschichten aus dem Land der Fatwas, Steinigungen und gesetzmäßigen Verschleierung der Frauen. Dass dies ist ein eindimensionales Bild von dieser komplexen Gesellschaft ist, macht die Dokumentation der im Iran geborenen, aber seit ihrem zwölften Lebensjahr in Österreich lebenden Sudabeth Mortezia deutlich. Wie unter jedem repressiven System suchen sich auch im Iran die Menschen Freiräume, und von einem dieser Schlupflöcher wird in „Im Bazar der Geschlechter“ erzählt. Eine schiitische Tradition im Iran ermöglicht es einem Mann, für eine festgesetzte Zeit, die zwischen einer halben Stunde und acht Jahren liegen kann, mit einer Frau eine sogenannte Zeitehe einzugehen. Der Ursprung ist ein Ratschlag des Propheten an einige seiner sexuell ausgehungerten Gefolgsleute und heute gilt diese Praxis im Gottesstaat zwar als unanständig, ist aber theologisch wasserdicht begründet. In einem kleinen Animationsfilm erzählt die Filmemacherin die entsprechende Episode aus dem Leben Mohammeds, um dann mit dem Zwischentitel 1400 Jahre später mitten in das alltägliche iranische Leben hinein zuspringen. Sie hat sich eine Handvoll von Protagonisten gesucht, die konkret darüber erzählen können, weil sie selber betroffen sind. So trifft ein Mann seine ehemalige Zeitgattin, deren Erinnerungen an jene Zeit längst nicht so romantisch sind wie die seinen, eine Gruppe von Frauen, die alle in Zeitehen gelebt haben, treffen sich zum iranischen Kaffeekränzchen (bei dem eifrig aus dem Kaffeesatz gelesen wird) und plaudern dort über ihre Erfahrungen und ein für die Verheiratungen zuständiger Mullah erklärt einem jungen Paar die Regeln und erklärt sie ohne viel Federlesen für befristet verheiratet. Das Wichtigste scheint dabei die Übergabe der Gebühr an den Offiziellen zu sein, und auch sonst befasst sich das Regelwerk ausführlich mit dem sogenannten Brautgeld, also den materiellen Aspekte der Transaktion. Dass diese Praxis zum Teil nah an legaler Prostitution ist, wissen die religiösen Autoritäten durchaus selber, und der Film wird dann sehr komisch, wenn ein älterer Offizieller theologische Pirouetten aufführt, um diese Scheinheiligkeit zu rechtfertigen. Ein jüngerer Mullah offenbart dagegen eine überraschend komplexe Persönlichkeit. Er verteidigt zwar rhetorisch geschickt das Dogma, doch schon an seiner Körpersprache merkt man, wie peinlich ihm dies ist. „Stellen sie mir bitte nur legale Fragen“ bettelt er einen Taxifahrer an, der ihn mit obszöner Schlagermusik in Verlegenheit bringt und fragt, ob die halbnackten Frauen an europäischen Stränden in der Verdammnis enden würden. Dass er Aufnahmen solcher für ihn bestimmt nicht schmeichelhaften Situationen gestattet zeigt, wie viel Vertrauen die Protagonisten zu der Filmemacherin haben. Wie schäbig die kleinen Freiheiten sind, die den IranerInnen gestattet werden, sagt ja auch viel über das herrschende System aus.

Der Film läuft So 13.15 & Di 17.00 im Bremer Cinema

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen