PROMIBARS AM GÖRLITZER PARK: Der blanke Hintern
VON DAVID DENK
Der Plan war folgender: Ich wollte an einem Abend für diese Kolumne zwei Bars besuchen, um die ich sonst einen großen Bogen mache, Bars, die sogar der Berliner Boulevardpresse die eine oder andere Meldung wert sind. „Peer Kusmagk macht Promi-Bar wieder auf“, schrieb die B.Z. im Oktober 2010 über das „La Raclette“ an der Lausitzer Straße. Ein Kabelbrand hatte seinen „Lebenstraum“ (B.Z.) abgefackelt. „Mit die härteste Zeit meines Lebens“, sagte der Moderator und Schauspieler. Da hatte er das RTL-Dschungelcamp ja auch noch vor sich.
Promibars sind mir in etwa so suspekt wie Autogrammjäger. Dieses Suchen von Pseudonähe stößt mich ab. Was habe ich davon, wenn ein früherer „Gute Zeiten schlechte Zeiten“-Darsteller zugegen ist, während ich mich betrinke? Wobei das immer die Frage ist: Wie präsent ist der Promi in seiner Bar? Manchmal muss er ja auch auf Events, wo Autogrammjäger vor der Tür auf seine Unterschrift warten.
Für Kusmagk gilt: Am Samstag war er äußerst präsent, für meinen Geschmack fast ein bisschen zu sehr. Aber ich bin ja auch nicht die Zielgruppe.
Der Abend begann allerdings auf der anderen Seite des Görlitzer Parks, in der Bar Raval, an der Daniel Brühl beteiligt ist, ja, der Daniel Brühl aus „Good Bye, Lenin!“ und „Inglourious Basterds“, unser Mann in Hollywood, den wir uns dummerweise mit den Spaniern teilen müssen. Seine Mutter stammt aus Katalonien. Folgerichtig ist das Raval eine Tapasbar, die allerdings mehr an Prenzlauer Berg erinnert als an Barcelona. Dabei regnete es an diesem Abend ausnahmsweise mal nicht.
Ich traf Bekannte: eine PR-Frau und einen Regisseur. Neben uns redeten Mittdreißiger reichlich Stuss mit Fremdwörtern. Mein Freund Jan und ich hingegen schwiegen uns an, so erschöpft waren wir. Weil ich die Abende zuvor in Hamburg unterwegs war, wäre mir am Samstag eher nach Drinnenbleiben und Rumsitzen gewesen. Aber ich musste ja noch mal raus, was erleben, für Sie da vor der Zeitung! Und immer, wenn man was erleben will, erlebt man nix – alte Bauernregel. Jetzt saßen wir eben hier rum, auf Bierbänken vor der Bar Raval. Ich bestellte einen Wrongo Dongo. Der Rotwein hob meine Laune ein bisschen – schon wegen des Namens.
Daniel Brühl war natürlich nicht da. Oder er hatte sich gut versteckt, in der Küche oder so, um nicht in seinem Lokal auch noch angeglotzt zu werden wie überall sonst.
Peer Kusmagk, zu dem wir nach einer Runde aufbrachen, vorbei an der PR-Frau und den Dealern im Park, hat so wenig Bock auf neugierige Blicke, dass er manchmal mit seinem komischen Hut aus dem Dschungelcamp durch Kreuzberg läuft. Er selbst beschreibt seine Rolle im La Raclette als „Conférencier“, der seine Gäste durch den Abend führt – was eine gelinde Untertreibung ist. Kusmagk gibt den Patron auf Speed, läuft rum, sabbelt rum, busselt rum. Die Gäste sind überwiegend weiblich, top gestylt, aber fad wie die dekorative Sternfrucht.
Ich habe den Anlass nicht mitbekommen, aber plötzlich zog Kusmagk seine Hose runter und präsentierte dem Lokal seinen blanken Hintern. Vielleicht braucht er dafür auch gar keinen Anlass. Ein lockerer Typ, dieser Peer, so locker, dass er auch seinen Autoschlüssel stecken lässt. Also wenn Sie mal nen Wagen brauchen … – hat er bestimmt nichts gegen.
Und trotzdem blieben wir noch ein bisschen. Auch wenn das Ambiente mit dem freigelegten Mauerwerk, dem Brigitte-Bardot-Bild an der Wand und der Reklame für ein Elsässer Bier im Fenster ein bisschen überambitioniert daherkommt, fühlten wir uns wohl im Schummerlicht, inzwischen redeten Jan und ich sogar miteinander. Und mit Barmann Steffen, der uns erzählte, dass Peer Kusmagk „lange in Frankreich gelebt“ und von da „die Inspiration für die Bar mitgebracht“ habe. Prätenziöses Gelaber, mit dem uns allerdings die Ernsthaftigkeit, mit der Steffen die Drinks mixte, besonders häufig den Cucumber Fizz im Marmeladenglas, wieder versöhnte. Offenbar betreibt Peer Kusmagk seine Bar nicht nur, damit Frauen dort seinen nackten Arsch kennen lernen können.
Auf dem Heimweg sah ich im Foyer der Commerzbank am Kottbusser Damm einen Obdachlosen liegen. Der wäre heute Abend auch lieber zu Hause geblieben, dachte ich in einem kurzen Anflug von Zynismus. Vielleicht sollte ich noch weniger in Promilokalen verkehren.
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