OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
François Truffaut konnte „Brief Encounter“ partout nicht leiden. Das Liebespaar des Films, den David Lean 1945 nach einem Einakter von Noël Coward gedreht hatte, fand er „pickelig“ – was wohl einen Mangel an Leidenschaft ausdrücken sollte – und viel zu vernünftig, und überhaupt erschienen ihm die Filme des britischen Regisseurs ganz grundsätzlich zu handwerklich und wenig persönlich. Nicht ganz einfach, nun zu erklären, warum das als „innere Beichte“ einer Frau gestaltete Drama um die unglücklich endende Liebesgeschichte zweier verheirateter Menschen, die sich zumeist auf einem britischen Provinzbahnhof treffen, wo ihre Züge symbolträchtig in verschiedene Richtungen fahren, trotzdem ein Meisterwerk sein soll. Doch man kann Truffauts Kritik ja auch ins Gegenteil wenden: Gutes Handwerk ist schließlich keine Schande, und wer Kino gern kontrolliert, mit Sinn für Atmosphäre und Liebe zum Detail mag, der wird hier fündig.
Die Computer-Animationsfilme des Pixar-Studios ziehen den Zuschauer in ein Paralleluniversum, das vertraut und fremd zugleich erscheint. Ein eigenwilliger Kosmos kindlicher Imaginationskraft tut sich da auf: realistisch, aber nicht naturalistisch, bevölkert von Figuren, die alle menschlichen Emotionen durchleben und doch (meistens) keine Menschen sind. Sondern Spielzeugfiguren, die zum Leben erwachen, wenn gerade niemand hinguckt („Toy Story“). Oder wie in „Die Monster AG“ sympathische Ungetüme, die in einer Welt jenseits der Wandschränke hausen, in denen Kinder ihre Spukgestalten verorten. Mit viel Charme entwirft der Regisseur Pete Docter hier das Bild einer Monstropolis, deren Arbeitswelt die menschliche bis aufs i-Tüpfelchen widerspiegelt und karikiert: Denn beim Energieversorgungsunternehmen „Monsters, Inc.“ stehen Ungetüme aller Formen und Farben bereit, um durch Millionen von Wandschranktüren in die Schlafzimmer der Kinder einzudringen und aus den Schreckensschreien der lieben Kleinen hochwertige Energie zu gewinnen. Der eigentliche Witz ist jedoch die Umkehrung der Situation: Als sich die zweijährige Boo, die ihren Namen schließlich nicht umsonst trägt, in die Monsterwelt verirrt, versuchen „Cheferschrecker“ James P. Sullivan und sein Kumpel Mike verzweifelt, das vermeintlich giftige Wesen wieder zurück in seine Welt zu schaffen …
Gespannt sein konnte man, was Goro Miyazaki, der Sohn des großen japanischen Zeichentrickregisseurs Hayao Miyazaki, in seinem ersten abendfüllenden Spielfilm wohl zustande bringen würde. Und „Gedo senki – Tales From Earthsea“, der jetzt im Rahmen des Fantasy Filmfests läuft, ist allemal viel versprechend, wenngleich stilistisch und inhaltlich nicht allzu weit von den Werken seines Vaters entfernt. Denn wie bei Miyazaki senior geht es auch in der Fantasy-Fabel des Sohnes, die um den Kampf eines traurigen jungen Prinzen gemeinsam mit einem bedeutenden Magier gegen einen bösen Zauberer kreist, um zwiespältige Helden und die Warnung vor der Zerstörung der Welt. LARS PENNING
„Brief Encounter“ (OF) 19. 8. im Arsenal 1 „Die Monster AG“ 22. 8. im Filmmuseum Potsdam „Gedo senki – Tales From Earthsea“ (O m engl. U) 19. 8. im CinemaxX Potsdamer Platz 7; 20. 8. im Babylon Mitte
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