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Ein Ort, 25 Meldungen. Aus Watzenborn-Steinberg berichtet Johannes Gernert alles, was am 14.09.2007 geschah.

LEUTE HEUTE

Sybille Lenz (1), 32, freut sich über einen guten Start als Pfarrvikarin der Evangelischen Kirche: Zu ihrer ersten Beerdigung kommen gleich über 200 Menschen. Der Ehrenvorsitzende des Gesangvereins Harmonie ist gestorben. Anschließend läuft Sybille Lenz, die neue Pfarrvikarin, in schwarzen Hosen und weißer Bluse am Friedhof vorbei zum Gemeindehaus, begrüßt jemanden aus dem Kirchenvorstand, lässt sich erzählen, wie ihr Vorgänger, der scheidende Pfarrer Hans Übler, die theologisch etwas gewagten Theateraufführungen mancher „Go alive“-Gottesdienste ablehnte, weshalb sich die Gruppe, die das immer vorbereitete, aufgelöst hat. Gewagt sei doch gut, sagt Lenz, verheiratet, ein Kind (“zu Hause krabbelt was rum“), die gern lacht, gern auch laut, und manchmal sehr locker von „dem da oben“ spricht. Aufgelöst wiederum sei ja gar nicht gut. Da werde man mal sehen müssen. Lenz ist eigentlich nur vorübergehend hier, so lange, bis die Stelle neu besetzt ist. Aber nach der Beerdigung haben einige Leute ihr schon gesagt, dass sie sich freuen würden, wenn sie bliebe.

Harald Törner (2), 55, hat die 25. Kunstausstellung im Rathaus organisiert: Morgens um halb vier setzt sich Harald Törner an seinen massiven Holzschreibtisch in dem weißen Reihenhaus in der Jenaer Straße, 1. Stock, und beginnt zu malen. Jeden Tag, drei Stunden lang, seit fast dreißig Jahren, seit ihm ein Professor an der Kunsthochschule in Kassel gesagt hat, eine Stunde täglich sei das Mindeste. Anschließend fährt Törner, ein schwerer Mann mit brummiger Stimme und struppigem Bart, in die Anne-Frank-Schule nach Linden und beginnt seinen Tag als Kunsterzieher. An einem Bild arbeitet er manchmal 200 Stunden. Morgen für Morgen. Ab 18. September werden einige seiner Bilder im Rathaus bei der 25. Kunstausstellung zu sehen sein, die die Werke von Künstlern aus Watzenborn-Steinberg zeigt. Törner hat die Ausstellung organisiert. “Vorwiegend Klassische Moderne“, sagt er. „Landschaft, Landschaft, Landschaft, Stillleben.“

Andreas Schmandt (3), 40, biegt Wirbelsäulen gerade: Irgendwann hat sein Körper nicht mehr mitgemacht. Andreas Schmandt, Diplomingenieur, Elektrotechnikvertrieb, 60-Stunden-Woche, landete mit Herzstechen und Schwindelgefühlen im Krankenhaus. Aber sie konnten dort nichts feststellen. Erst die aufgelegte Hand eines Reiki-Heilers hat ihm geholfen. Heute überträgt Schmandt, der die Ruhe und Statur eines Buddhas hat, selbst Energien nach der japanischen Lehre. Er nennt seine Praxis in der Ludwigstraße Sonnenscheinzentrum und hat das Pohlheimer Naturheilforum gegründet. Unterm Dach des Hauses legen sich die Patienten auf die gelb bezogene Liege, an der Wand japanische Zeichen. Er habe schon Wirbelsäulen gerade gebogen, sagt Schmandt, ganz ohne Berührung. „Es funktioniert immer“, sagt er. Die Leute, die zu ihm kommen, haben so wenig Hoffnung wie er selbst nach seinem Zusammenbruch. Kunden aus dem Ort hat er keine. Am 19. September beginnt die Vortragsreihe des Pohlheimer Naturheilforums, in der un-terschiedliche Referenten alternative Heil- und Wohlfühlmethoden vorstellen.

Ulrich Görlach (4), 57, chauffiert seine Schwiegermutter mit dem Golfmobil übers Feld: Mit dem Elektrowagen ist der Besitzer der Firma Voko immer über sein Firmengelände gefahren, als wär‘s ein Golfplatz. Dann meldete Voko Insolvenz an. Ulrich Görlach hat das weiße Miniauto anschließend aus der Konkursmasse herausgekauft. Er hat eine neue Verwendung dafür gefunden: Manchmal holt er seine Schwiegermutter aus Frankfurt und chauffiert sie mit dem Wagen über die Wiesen. Ein geländegängiges Mamamobil. Wenn die Batterie aufgeladen ist, fährt das Auto fünf Stunden. „Sehr, sehr günstig“, Görlach zieht am kalten Zigarillostummel, „und umweltfreundlich.“

DIE BETRIEBSBEGEHUNG

Heute: die Firma Engel

Siemensstraße taz - Ein Arbeiter im Blaumann poliert eine Glasscheibe und schiebt sie auf das Fließband. Weißes Pulver fällt herunter. Es schmilzt im Ofen bei 180 Grad darauf fest. Die Scheibe ist beschichtet und glänzt milchig. Jetzt läuft sie weiter in Thomas Engels Maschine. So ein Gerät gibt es in Deutschland bisher nur einmal. Eine Folie mit einem Motiv, eines Filmplakats etwa, wird über eine beschichtete Glasscheibe gespannt, im Vakuum bleibt die Farbe von der Folie auf der Glasoberfläche haften. Die Firma Engel in der Siemensstraße bedruckt auf diese Weise gläserne Bierdeckel, Informationsschilder oder Werbeflächen. Andere, erklärt der Erfinder der Methode, stellen solche Glasflächen in einem aufwendigen Siebdruckverfahren her. Engels Maschine, die er nach der Insolvenz von der Firma Voko gekauft hat, braucht keine mehrschichtigen Siebe. Aus einer Datei wird die Folie gedruckt, von der die Farbe aufs Glas übertragen wird. „Der Aufwand ist wesentlich geringer als beim Siebdruck“, sagt Engel. Er hat kürzlich ungefähr 60 historische Hinweistafeln für die Stadt Gießen produziert. Die werden der Witterung zwar nur fünf oder sechs Jahre standhalten, weil sie mit organischen Farben beschichtet werden, aber „dafür kann das Glas anschließend recycelt werden“, sagt der Firmenbesitzer.

STIMME DES TAGES

Heute von Elly Leufkens, 19

“Das Dorf gefällt mir total, diese Stille. Man geht durch die Straßen, und es ist einfach nur ruhig. Ich beginne gerade mein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Evangelischen Kirche und bin in die Kellerwohnung in der Büchnerstraße eingezogen. In Sinn, wo ich aufgewachsen bin, ist es verhältnismäßig laut. Ich habe, seit ich in Watzenborn-Steinberg bin, auch schon darüber nachgedacht, was das zu Hause für Geräusche waren. Bevor ich herkam, war ich für sechs Wochen in Cebu auf den Philippinen. Das war sehr, sehr laut. Hier ist nicht ein Geräusch zu hören. Ich finde das toll. Das ist so erholsam.“ (5)

WIE‘S DAMALS WAR

Heute: Kurt Binz (Eisenbahnerverein, Kirchenvorstand der Evangelischen Kirche)

Wenn wieder ein Bahner aus der Deutschen Demokratischen Republik geflohen war, brach Kurt Binz nach Berlin auf, Transferfahrt durch die DDR, zum Pädagogischen Institut, um herauszufinden, wie man den Job, den der Kollege bei der Reichsbahn im Osten gemacht hatte, wohl bei der Bundesbahn nennen würde. Irgendwo wurden sie schon untergebracht. “Beamte konnten sie natürlich nicht werden“, erinnert sich Binz. Im Grunde hatten die drüben ja meist dasselbe gemacht. Binz tauschte am Grenzübergang immer die zehn Zwangsmark, fünf Mark bekam der Kellner im Haus der Republik per Handschlag. Dafür stand der Wodka schon da, bevor sie sich setzten. Und was man sonst noch so gemacht hat, sagt der kleine, verschmitzte Binz, Jahrgang 1935, mit der langen Narbe auf der Brust und der Aortaklappe aus Titan. Man sei ja jung gewesen. Heute betreut er für den Eisenbahnerverein die Angehörigen, wenn ein Kollege gestorben ist.

AUF STREIFE MIT BOROWSKi & SCHULZ

Kuhgasse taz - Borowski und Schulz* beginnen ihre nachmittägliche Streife in der Kuhgasse. Die Sonne scheint, nach wenigen Schritten erreichen sie die Obstwiesen, Pflaumenbäume am Wegesrand. „Von der Kriminalität her“, sagt Borowski, der wie sein Kollege um die 30 ist, blaue Hosen trägt, ein blaues Poloshirt mit der Aufschrift „Freiwilliger Polizeidienst“ und eine runde Brille, „von der Kriminalität her, ist Watzenborn-Steinberg noch sehr neutral.“ Was konkret bedeutet: “Pfefferspray-Einsatz haben wir hier noch nicht gehabt.“ Überwiegend leiste man Streetworker-Arbeit, Kontakt zu Jugendlichen halten, wenn man mal welche treffe. Als sie die Streuobstwiesen verlassen haben und sich der befahrenen Ludwigstraße nähern, entdeckt Borowski das Auto auf dem Gehweg. Eindeutig falsch geparkt. Aber gut, sie wollen heute mal nicht so sein. Die Stadt wünsche, dass sie nicht „zu arg“ einschreiten. „Damit nichts eskaliert“, sagt Borowski.

*Die Namen sind geändert

ZWEI HILFERUFE

Nelkenweg taz - Zwei Aushänge in einem Mehrfamilienhaus: “Hilfe! Wer hat WLAN und würde es mich, natürlich gegen Kostenbeteiligung, mit nutzen lassen? Würde mich sehr freuen. Einfach bei mir melden. Lieben Gruß Iris (App. 9)“ (6)

“Hallo liebe Mitstudenten und Mitmieter! Falls einer von euch mal etwas ausdrucken, kopieren oder einscannen muss, braucht er nicht bis zum Copyshop laufen und dafür Zeit und Unmengen an Geld aufwenden. Ihr könnt auch einfach bei mir vorbeikommen oder mir die Sachen geben und das Ganze nur für die Materialkosten machen. Das geht alles sowohl in Schwarz-Weiß als auch in Farbe. Wenn ihr kurz ins Internet müsst, auch kein Problem, fragt einfach kurz (um irgendwas nachzugucken, um E-Mails zu checken, um etwas auszudrucken, o. Ä.). Ansonsten klopft einfach, wenn ihr Langeweile habt. Vielleicht muss ich auch gerade mal nicht lernen, und man kann zusammen fernsehen oder „Sport“ machen (o. Ä.). [“Sport“ hat jemand handschriftlich in Anführungszeichen gesetzt; Anm. d. Red.] Euer Simon (Apartment 7)“

CHEMIERÄUME IMMER FERTIGER

Fortweg taz - Es röhrt, wackelt und dröhnt wie bei einem Fliegerangriff. Norbert Kissel, der Schulleiter, sitzt in seinem Büro und lächelt ein bisschen gequält. Draußen vor der Tür wird gebohrt. Der Boden ist staubig, überall stehen Leitern, Kabel hängen von den Decken. So sah es noch vor einigen Wochen, während der letzten Ferientage, im Eingangsbereich der Adolf-Reichwein-Schule (ARS) im Fortweg aus. Mittlerweile beschränken sich die Renovierungsarbeiten auf die Räume der Naturwissenschaften und auf das zukünftige Lehrerzimmer. „Der Lehrbetrieb wird so wenig wie möglich gestört“, sagt Kissel. Etwa 2,3 Millionen Euro kostet dieser erste von zwei Bauabschnitten. Es geht um 9.000 Kubikmeter. Im November sollen die Chemie-, Physik- und Bioräume fertig werden. Anschließend wird der Ganztagsbereich mit Mensa und neuer Bibliothek ausgebaut. Die Sanierung er-möglicht es, künftig Strom und Wasser zu sparen. Als einzige hessische Schule nimmt die ARS am Förderprogramm „Stromeffizienz.komm“ teil. Bis Ende 2008 soll sie so zum ökologischen Vorzeigemodell werden, wünscht sich Kissel. (7)

BEZAHLTE FREIWILLIGE FEUERWEHR

Fortweg taz - Am blauen Brett im Gerätehaus der Feuerwehr im Fortweg hängt ein Zettel für eine Unterschriftensammlung. Thema: „Umbenennung des Freiwilligen Polizeidienstes.“ Bisher haben an die zehn Leute unterschrieben. „Der Freiwillige Polizeidienst ist nicht freiwillig“, sagt Wehrführer Ulrich Kuhn, „er wird bezahlt.“ Die Aktivisten der freiwilligen Feuerwehr dagegen würden keinen einzigen Cent sehen. “Entweder sie lassen also das Wort ,freiwillig‘ weg“, fordert Kuhn, “oder sie geben unseren Leuten auch 7,50 Euro pro Stunde.“ Der hessische Innenminister müsse handeln, findet der Wehrführer. Denn: „Der Casus knaxus ist das Wort ,freiwillig‘.“

KREUZFAHRTEN SIND DER RENNER

Neue Mitte/Fahrtgasse taz - Touristen aus Watzenborn-Steinberg buchen neuerdings besonders viele Kreuzfahrten. Allein in diesem Sommer hat das Reisebüro Holiday Land in der Neuen Mitte mit rund 50 Fahrten deutlich mehr als in den Vorjahren verkauft. „Die Leute reagieren wohl auf den Kreuzfahrtboom in Presse und Rundfunk“, mutmaßt Carsten Heinz. Ansonsten wurden die üblichen Ziele gebucht. Per Flugzeug nach Spanien, Türkei oder Griechenland. Mit dem Auto an Nord- und Ostsee. Die Kunden von Egon Veltes TUI-Reisebüro in der Fahrtgasse sind vor allem in die Türkei und Ägypten geflogen. „Was man sich halt noch leisten kann, vielleicht noch Bulgarien“, sagt Velte.

KEINE MEHRHEIT FÜR UMGEHUNGSSTRASSE

Ludwigstraße (8) taz - In der Auseinandersetzung um den möglichen Bau einer Umgehungsstraße scheint eine alternative Lösung immer wahrscheinlicher zu werden. Noch äußern sich die wenigsten Politiker öffentlich. Wie die taz allerdings aus Kommunalkreisen erfuhr, ist eine Mehrheit für eine neue Umgehung nicht sehr wahrscheinlich. Auswirkungen würden sich wegen der langen Planungszeiten frühestens in 25 Jahren zeigen. Außerdem handle es sich bei dem Verkehr, der durch die Ludwigstraße verläuft, nicht um Durchgangs-, sondern um Quellverkehr. Die Autofahrer kommen also aus Watzenborn-Steinberg und nicht von außerhalb. Die wenigsten von ihnen würden deshalb eine Umgehungsstraße nutzen, die zudem wohl durch Teile des Naherholungsgebiets verlaufen müsste. Viele Politiker bevorzugen nun Alternativen. So könnten Nebenstraßen besser ausgelastet werden, erklärte der Stadtverordnete der Grünen, Eckart Hafemann, gegenüber der taz.

INTERESSENGEMEINSCHAFT DEPRIMIERT

Ludwigstrasse/Wilhelmstraße taz - Die Interessengemeinschaft Ludwigstraße/Wilhelmstraße hat den Bürgermeister für seine Untätigkeit in Sachen Umgehungsstraße kritisiert. Die Zahl der Autos in der Ludwigstraße habe sich in den vergangenen zwei Jahren laut einer Studie des Frankfurter Stadtplanungsbüros IMB Plan fast verdoppelt, sagt Bernd Schmitt. Sie liege jetzt bei 10.000, bis 2015 würde sie sich demnach weiter auf 16.000 erhöhen. Deshalb sei es wichtiger denn je, den Verkehr um den Ort herumzuleiten. Bei einer Umfrage unter den Bewohnern von Ludwigstraße und Wilhelmstraße hätten zudem 90 Prozent für die Umgehung gestimmt. Aber der Bürgermeister verschleppe das Verfahren seit Jahren, beklagt Schmitt. „Wenn man etwas nicht will, dann lässt man es schleifen. Das ist schon deprimierend.“ Die Interessengemeinschaft Ludwigstraße/Wilhelmstraße besteht neben Bernd Schmitt aus zwei weiteren Mitgliedern.

KIRCHE WIRBT UM NEUBÜRGER

Oberweg/Gehmännchensbaum/Neue Mitte taz - Die Evangelische Kirchengemeinde will Familien, die in die Baugebiete Oberweg, Gehmännchensbaum oder Neue Mitte ziehen, künftig besser integrieren. „Es geht darum, eine Vernetzung hinzubekommen zwischen den Neubürgern und dem alten Kern“, sagt Pfarrer Alexander Klein. Besonders die mittlere Generation der 30- bis 50-Jährigen soll über Familiengottesdienste besser eingebunden werden. Bisher kämen vor allem die ganz Jungen und die relativ Alten. „Da ist einfach eine Lücke da“, sagt Klein. (9)

CHOR STOPPT MITGLIEDERSCHWUND

An den Gärten taz - Als einziger Chor im Ort hat es der Gesangsverein Eintracht geschafft, seinen Mitgliederschwund vorerst zu stoppen. Die Eintracht, ehemals der letzte reine Männergesangsverein im Ort, hat vor fünf Jahren den gemischten Chor der „Choryphäen“ eröffnet. „Seitdem haben wir 50 neue Mitglieder aufgenommen“, sagt der Vorsitzende Günther Dickel (10). Vor der Öffnung für die Frauen bestand das Ensemble aus etwa 70 Sängern. Die Sängerinnen und Sänger werden immer älter. Das hat sich allerdings auch bei der Eintracht nicht geändert. Die jüngsten Neumitglieder sind Ende dreißig.

KEIN GELD FÜR STUDENTEN

Umland taz - Die Stadt Pohlheim wird auch zum Anfang des Wintersemesters kein Begrüßungsgeld an Gießener Studenten zahlen, die ihren Erstwohnsitz etwa nach Watzenborn-Steinberg verlegen. Stattdessen würden alle angeschrieben, sagt Bürgermeister Karl-Heinz Schäfer (SPD), und über die Vorzüge der Stadt informiert. „Bisher ist das ganz gut gelaufen.“ In Gießen bekommen Studenten, die sich dort mit Erstwohnsitz melden, das Geld für ihr erstes Semesterticket erstattet - das sind gut 70 Euro.

TRÄGER SOLARMÜLLEIMER

Ludwigstrasse taz - Wie ein taz-Test ergab, reagiert der Solarbetriebene Mülleimer am Verwaltungsgebäude des Rathauses in der Ludwigstraße nur unregelmäßig. Für den Einwurf eines Stücks Papier bedankte er sich nicht, wie sonst üblich, im Namen einer Firma aus dem Ort, sondern schwieg. „Das kann unter Umständen daran liegen, dass der Akku nicht funktioniert, weil das Wetter nicht so toll war“, sagt Reiner Burger von der Stadtverwaltung. Der Eimer sei trotzdem ein „angenehmer Gag“. Die Grünen hatten die Konstruktion als wenig hilfreichen „Unfug“ kritisiert.

JUGENDRAUM RENOVIERT

Volkshalle taz - Die Renovierungsarbeiten im Jugendraum unter der Volkshalle sind mittlerweile abgeschlossen, die Einrichtung ist offiziell eröffnet. Täglich kommen laut Corinna Schmidt (11), die für die städtische Jugendpflege zuständig ist, zwischen vier und zehn Jugendliche, manchmal kommt auch keiner. Auf dem Programm stünden “Musik, Spiele und Gespräche“, sagt Schmidt. „Was läuft, hängt von den Jugendlichen ab. Wir nehmen uns da ganz stark zurück.“ Selbst aufschließen und verwalten, wie in anderen Stadtteilen, dürfen die jungen Leute den Raum allerdings nicht. Dafür sei Watzenborn-Steinberg einfach zu groß, so Schmidt.

BEWUSSTSEIN FÜR LIMES SCHÄRFEN

taz - Die Limes Arbeitsgemeinschaft fordert, mehr Parkplätze in der Nähe des Limesturms (12) zu schaffen - auf der Anhöhe über Watzenborn-Steinberg, am ehemaligen Grenzwall zwischen dem Reich von Römern und Germanen. Seit der Limes vor zwei Jahren zum Weltkulturerbe erklärt wurde, will die Limes AG die historische Grenze auf den Hügeln über Watzenborn-Steinberg wieder ins Bewusstsein der Anwohner rufen und hat sich schon erfolgreich dafür eingesetzt, dass mehr Wegweiser aufgestellt wurden. „Die Beschilderung ist jetzt so gut, dass Autofahrer den Ort leicht finden“, sagt Reiner Burger von der Arbeitsgemeinschaft. Am 3. Oktober können sich Teilnehmer der Limeswanderung entlang einer 11 Kilometer langen Strecke etwa im Stammhochwurf messen.

KIRMES AG ALS ERFOLGSMODELL

Mockswiese taz - Die neuen Kirmes-Veranstalter sind mit dem Verlauf der Veranstaltung am ersten Septemberwochenende zufrieden und würden auch in den nächsten Jahren an dem Modell festhalten. Zum ersten Mal hatte nicht einer der Gesangsvereine, sondern der Getränkevertrieb Gilbert und Stefans DJ Culture die „fast ausgefallene“ Kirmes organisiert. „Die Kosten sind gedeckt“, sagte Matthias Gilbert der taz. Er könnte sich vorstellen, die Veranstaltung auch in den kommenden Jahren zu organisieren.

BROT NICHT ÜBERALL TEURER

Bahnhofstrasse/Giessener Strasse taz - Trotz der gestiegenen Getreidepreise haben der Hofladen von Hilde Reitschmidt und die Bäckerei Steinmüller aus Langgöns, deren Verkäuferin einmal in der Woche Privathaushalte in Watzenborn-Steinberg beliefert, ihre Brotpreise nicht erhöht. Im Laden des Weiherhofs kostet auch der Liter Milch weiterhin 65 Cent. Die beiden anderen Bäckereien im Ort dagegen haben in den vergangenen Wo-chen ihre Preise deutlich angehoben. Bei der Bäckerei Müller in der Gießener Straße kosten Körnerbrötchen 5 Cent mehr, normale Brötchen 2 Cent und Brot um die 20 Cent. Die Bäckerei Held in der Bahnhofstraße verlangt im Schnitt 5 Cent mehr für ihre Gebäckstücke.

CHEF DES AUSLÄNDER-BEIRATS GREIFT MAGISTRAT AN

Asternweg taz - Cehver Than (13), der Vorsitzende des Ausländerbeirats, hat sich gegen im Ort kursierende Spekulationen gewehrt, dass das Geld für die Mehrfamilienhäuser, die viele Aramäer vor allem im Asternweg gebaut haben, teils aus illegalen Quellen stamme. „Wir sind keine Verbrecher, keine Diebe, keine Vergewaltiger und keine Erpresser. Wir sind fleißig“, sagte Than der taz. Die großen Mehrfamilienhäuser seien mit Krediten finanziert und gehörten meist den Banken. „90 Prozent dieser Häuser“, sagt Than. Da brauche niemand zu spekulieren, woher das Geld komme. Der Magistrat wisse das, weil seine Mitglieder im Aufsichtsrat der Sparkasse säßen. Das Gremium müsse den Spekulationen öffentlich widersprechen, um die Stimmung zwischen Aramäern und Deutschen zu verbessern und die hinter vorgehaltener Hand geäußerte Kritik zu beenden. Than selbst ist Aramäer. Bei der vergangenen Wahl ist nur seine aramäische Liste angetreten.

NEUES PFLEGEHEIM

Lückenbach taz - Ein Anwohner, der seine Gartenmauer zu nah am Lückebach errichtet hat, muss diese nicht abreißen oder umsetzen, obwohl sie auf städtischem Grund steht und den Fußweg am frisch renaturierten Gewässer unterbricht. Stattdessen soll nun eine Brücke über den Bach gebaut werden. Der Anwohner wird vermutlich das unrechtmäßig bebaute Teilgrundstück von der Stadt erwerben; das Geld aus dem Verkauf fließt dann in die Brücke, sodass der Weg auf der anderen Seite verlaufen kann.

“IM KINDERGARTEN MUSS DEUTSCH GESPROCHEN WERDEN“

Interview mit Nohman Nohman, CDU (14)

taz: Herr Nohman, Sie vertreten im Magistrat als CDU-Mann die größte Migrantengruppe in Watzenborn-Steinberg, die Aramäer. Es gibt zurzeit einigen Unmut in der Gemeinde: In manchen Kindergartengruppen werde zu viel Aramäisch gesprochen.

Nohman Nohman: Das darf nicht sein. Im Kindergarten muss Deutsch gesprochen werden. Es ist deshalb wichtig, dass die Gruppen gut gemischt sind. Trotzdem muss unsere Sprache weiterleben, weil unsere Bevölkerungsgruppe weltweit verstreut ist. Aramäisch verbindet uns mit unserer Kultur und mit unseren Verwandten. Als meine Kinder in den Kindergarten kamen, konnten sie kaum Deutsch. Nach einem halben Jahr wollten sie mit mir nur noch Deutsch reden. Das habe ich dann oft unterbunden, weil ich Angst hatte, sie würden Aramäisch vernachlässigen. Mit meiner Frau sprechen sie Arabisch, untereinander nur Deutsch. Sie sind dreisprachig aufgewachsen, und das ist auch wichtig. Mein Sohn besucht gerade seine arabischen Großeltern, mit denen könnte er sich sonst gar nicht unterhalten.

taz: Trotzdem ist das wohl nicht der Regelfall, dass jemand drei Sprachen fließend spricht.

Viele Eltern kümmern sich zu wenig, weil sie oft selbst nicht gut genug Deutsch können. Auch wenn ich mit meinen Kindern vor allem Aramäisch gesprochen habe, habe ich ihnen trotzdem einmal aus einem deutschen Buch vorgelesen. Man muss die Kinder antreiben. Wenn die einmal Erfolg haben, wird alles ganz einfach. Um dahin zu kommen, brauchen sie die Unterstützung der Eltern.

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