piwik no script img

Außen hässlich ist Konzept

Mit und ohne Gutschein: Zur 1-Euro-Currywurst ins neue Möbelhaus Kraft. Traurige Paare sitzen Probe. Dann zum Alexa, um irgendwas zu kaufen. Die neuen Indoor-Shopping-Welten in Schöneberg und am Alex

O nein, jetzt liegt der Currywurst-Gutschein, extra aus der Möbel-Kraft-Anzeige rausgetrennt, noch zu Hause. Soll man also vorher lieber noch zu Ikea nebendran, ins Restaurant mit Parkplatzblick? Aber da hat man beim letzten Mal die ekligen Pfannkucken liegen gelassen und sogar auf den Gratis-Kaffee-Refill verzichtet. Bei Ikea ist auch doof, dass man, um das Restaurant im 1. Stock zu verlassen, durchs ganze Warenhaus für Zwangsduzer („Möchtest Du eine Küche?“) muss.

Also lieber zu Kraft. Für das neue Möbelkaufhaus wurde die schöne marode Radrennbahn am Sachsendamm in Schöneberg plattgemacht. Der Senat versprach, das Grundstück zunächst einer österreichischen Möbelkette, die wurde dann aber plötzlich durch die Höffner-Gruppe ausgebootet. Da es aber schon zu viele Höffners gibt, heißt der nicht gerade elegante Würfelbau mit neu gebauter Autobahnausfahrt nun „Möbel Kraft – Qualität seit 1893“. Nach Vorstadt sieht die Möbelkiste mit vorgelagertem Parkplatz aus, was zur Gegend irgendwie passt, aber doch auch gemein für Schöneberg ist, wo sie gegenüber mit Südkreuz schon den hässlichsten „Autofahrer-Bahnhof“ bekommen haben. In den Kraft-Anzeigen ist der Bahnhof gar nicht eingezeichnet, nur die Autobahn. Nur wenige Radständer sind auf dem Gelände, zur Abschreckung weit weg vom Eingang.

Der Sicherheitsmann am Eingang sagt auf die Frage, wo man seine Radtasche abgegeben könne: Oben. Oben, im dritten Stock, geht das zwar auch nicht, aber das Restaurant hinter der Kinderwelt erscheint am Möbelmarkthorizont. Currywurst/Pommes kostet ohne oder mit Gutschein nur einen Euro. Das freut einen zwar, aber man fühlt sich als Gutscheinbeworbener nicht ernst genommen. Das Gericht entspricht bis auf die Salatecke genau dem „Symbolfoto“ auf dem Gutschein.

Danach ist Probesitzen angesagt. Als man sich auf das dritte Sofa setzt, das völlig anders aussieht als die zwei zuvor, kommt ein Verkäufer und sagt, man habe sich ja wohl noch nicht entschieden: „Die sind ja doch sehr verschieden.“ Beim Probesitzen beobachtet man die traurigen, oft schwangeren Paare, die frustriert durch die Gegend streifen, um ihr „Heim“ einzurichten, bevor es zu spät ist. Der Hof im Inneren des Block hat leider ein Dach aus Beton statt aus Glas. Wer zu schwermütig wird beim Probewohnen, kann von der Galerie im dritten Stock direkt in den Tod springen – wenn er nicht auf einem weichen Bett der Bettenabteilung landet.

Komischer Laden. Bei Ikea kauft man Sachen, die man nicht braucht oder Jahre nicht auspackt, aus Angst vorm Zusammenbau. Hier kauft man nicht mal ein einziges Glas zu 50 Cent. Die Blumen sehen aus wie aus Plastik.

Also noch mal zum Alexa. Während man letzte Woche im Media Markt fast zerquetscht wurde, aber stolz war, drin zu sein, weil draußen Kunden an den Türen rüttelten, ist an einem normalen Dienstagmorgen nicht viel los. Dem Kasten aus rot eingefärbtem Beton, mit gewisser Ähnlichkeit zum Kanzleramt, wird ja zu Recht seine Hässlichkeit vorgeworfen. Das könnte auch Konzept sein. Man soll eben nicht vor dem Monster rumstehen, sondern reingehen.

Drin ist es dann schön bunt, ziemlich hell und es gibt nicht nur die bekannten Läden. Sondern auch: Kookai, G- Star, „engbers: Das sind Männer“, monzini, Seidensticker, Triumph und zig andere Modebuden. Am schönsten ist das kleine Nagelstudio mit chinesischen Plakaten. Auf dem Boden der Passage steht zynisch „Metropolis“. Im Media Markt gibt’s das Notebook unter 500 Euro plötzlich wieder. Um irgendwas zu kaufen, erwerbe ich eine Shahrukh-Khan-3er-DVD-Box, 505 Minuten für 10 Euro. Noch billiger wäre die 10-Stunden-Wellness-DVD gewesen. Dann holt man sich noch bei McDo einen Cappuccino für einen Euro und beobachtet die wenigen Raucher auf der verregneten Freiterrasse. Die Stadt Richtung Jannowitzbrücke sieht bis auf die schöne Stadtbahn mit ihren Zügen von hier aus auch ziemlich öde aus. Kann man auch im Alexa bleiben.

ANDREAS BECKER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen