: Burgenländer vor Berlin
KOLLEKTIV-POP Die österreichische Band Ja, Panik arbeitet an der Repolitisierung von Indierock und setzt zum Sprung über die bisherige Nischenkultur an – es gilt nach wie vor, die Welt zu zerstören
■ Die Band: Andreas Spechtl, 27, Thomas Schleicher, 25, Stefan Papst, 26, Sebastian Jenata, 24, und Christian Treppo, 26. Allesamt jünger als das legendäre Fußballspiel Deutschland – Österreich 2:3 (WM 1978, in Córdoba, Arg.)
■ Das Album: „DMD KIU LIDT“ (Staatsakt/Rough Trade). Auf ihrer neuen Single „Never Mind“ covern Ja, Panik unter anderem Songs von John Cale und Bob Dylan
■ Die Tour: 9. Oktober, Regensburg, Alte Mälzerei; 10. Oktober, Pfarrkirchen, Boogaloo; 11. Oktober, Erlangen, E-Werk; 12. Oktober, Jena, Kassablanca; 19. Oktober, Münster, Gleis 22; 20. Oktober, Bielefeld, Forum; 21. Oktober, Hannover, Glocksee; 4. November, Berlin, Festsaal Kreuzberg
VON CHRISTIAN IHLE
Von mir aus sollen sie Bomben hintragen zu der grauslichen Bagage / ich werde nicht daran denken, eine Träne zu zerdrücken / nicht für Angela und erst recht nicht für Nicolas?“, heißt es im Titelsong des aktuellen Albums „DMD KIU LIDT“ von Ja, Panik, und man ist erstaunt, dass diese fünf so harmlos aussehenden Mittzwanziger Politik in den Indie-Rock zurückbringen. Auch wenn man ihrer Absage an Pazifismus nicht zustimmen mag, allein die Tatsache, dass sich überhaupt wieder eine Indieband mit mehr als den eigenen Befindlichkeiten befasst, ist schon bemerkenswert.
Ältere Hörer werden sich an den Diskurspop der Hamburger Schule erinnern, der nach 1989 im deutschsprachigen Raum politische Kritik in interessante Songs einfließen ließ. „Ja, Panik“ erinnert ein wenig daran. Die Gruppe ist zunächst gemeinsam vom Burgenland nach Wien und dann nach Berlin gezogen. Die Band wohnt seit Beginn zusammen, veröffentlicht auf dem kleinen Berliner Independent-Label Staatsakt ihre Musik und sieht sich darüber hinaus auch als kollektives Projekt, wie Sänger und Songschreiber Andreas Spechtl erläutert: „Die Band soll eine Möglichkeit sein, den Mund aufzumachen, viele Leute zu erreichen – sonst könnte ich mich auch in mein Wohnzimmer setzen und dort alleine Gitarre spielen.“
Die Musik von Ja, Panik ist stark von der Gitarre getragen, aber im Vergleich zu ihren beiden früheren Alben sind die Songs auf „DMD KIU LIDT“ abwechslungsreicher arrangiert. „Run From The Ones“, der Höhepunkt ihres neuen Albums, setzt auf Handclaps statt Schlagzeug und lebt von einer trockenen Funkyness, die tatsächlich an einen anderen österreichischen Popstar, Falco, denken lässt. Auf ihrer jüngst erschienenen Single „Nevermind“ glänzen Ja, Panik mit einem minimalistischen Arrangement und auch an anderer Stelle ihres neuen Albums ist immer deutlicher der Wille zu Reduktion herauszuhören.
Nachdem ihr zweites Album „The Taste and the Money“ die Österreicher auch in Deutschland bekannt gemacht hatte, wurde nun mit dem 2011er Album „DMD KIU LIDT“ ein weiterer Schritt vollzogen: „Wir haben bei Konzerten gemerkt, dass wir aus der Indie-Nische heraus sind und unser Publikum nun von 18 bis 48 reicht.“ An diesem Punkt stellt sich für Bands aber auch immer das Problem, wie weit ein – laut Spechtl – „antikommerzielles Projekt“ sich den Verwertungszwängen des Musikbusiness unterwerfen muss, wenn der Anspruch kommt, eben nicht nur das eigene intellektuelle Ghetto zu bedienen, sondern seine Botschaften auch außerhalb des vertrauten Kreises an die Hörer zu bringen.
Es ist interessant zu sehen, wie Ja, Panik auch in ihren Stücken diesen Widerspruch thematisieren. Wie sie einerseits Kommunikationsplattform für ihre Slogans sein wollen, wie sie das umstrittene linksradikale Manifest von „Der kommende Aufstand“ wieder und wieder in ihre Texte einweben, aber im gleichen Moment auch darüber singen, dass das Politische im Pop keinen Platz habe.
Deutlich wird diese Gleichzeitigkeit aus Mitteilungsdrang und dem Hinterfragen der Möglichkeiten im anfangs zitierten Song, der das aggressivste, politischste Statement der Bandgeschichte ist, sich aber wenige Zeilen später zu einem Abgesang auf die Möglichkeit, Politik in der Popkultur zu transportieren, wandelt: „Nur, dass ich finde, es wär an der Zeit, aufzuhören / Das bisschen Klingbim, das bisschen Lalala für so wichtig zu halten / Gilt es doch nach wie vor, eine Welt zu zerstören.“
Andreas Spechtl ist ein wandelnder Widerspruch, will er doch einerseits immer mehr sein als ein Sänger, der nur Popsongs schreibt. Andererseits sagt er, dass jede künstlerisch-politische Regung lediglich ein Ersatz für tatsächliches Aufbegehren sei: „Kunst kann dir höchstens das Gefühl geben, etwas ändern zu wollen, wirklich etwas ändern kannst du aber nur auf der Straße oder in anderen politischen Räumen. Und eben nicht, indem ich in einem kleinen Kellerclub: ‚I am an antichrist, I am an anarchist‘ singe. So bleibt die Frage, ob es den Herrschenden nicht lieber ist, dass in kleinen, verrauchten Clubs ein paar Musiker singen, dass sie alles zerstören wollen, statt auf die Straße zu gehen.“
Popkultur als Opium für die Massen? „Ja, natürlich. Und das ist genau der Widerspruch, den unsere Musik thematisiert und an dem wir vielleicht früher oder später zerbrechen werden. Oder uns halt eine Eigentumswohnung kaufen.“
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