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Zwei Neue in Oldenburg

MUSEEN Die beiden Oldenburger Landesmuseen haben nun Direktoren, die in Bremen sehr erfolgreiche Arbeit machten – und sich erstmals systematisch um die Provenienz ihrer Sammlungen kümmern

„Lasst die doch rennen!“: Beim Aufsichtspersonal des Bremer Überseemuseums ist die Kinderfreundlichkeit von Peter-René Becker wohlbekannt. Nun haben ihre Oldenburger KollegInnen einen Vorgesetzten, der die spontane Entdeckerfreude des jungen Museumspublikums zu schätzen weiß: Seit dem 1. Oktober ist der Biologe und Völkerkundler, zuvor 14 Jahre als Abteilungsleiter im „Übersee“ tätig, Direktor des Oldenburger Landesmuseums für Natur und Mensch.

Für Oldenburg ist Becker ein Glücksfall. Das war auch sein Vorgänger Mamoun Fansa, aber auf andere Art: Der aus Syrien stammende Archäologe Fansa machte Oldenburg mit Sonderschauen zu Sultan Saladin und dem Stauferkaiser Friedrich II. – etwas unerwartet – zum Knotenpunkt zwischen Orient und Okzident. Mit der Berufung Beckers setzt das zuständige hannoversche Kulturministerium nun wieder mehr auf Natur- und Regionalkunde. Dazu passend kündigt Becker Sonderschauen zu Themen wie Fisch und Meteoriten an – immerhin gehört Deutschlands schwerster Steinbrocken aus dem All zum Bestand des Oldenburger Hauses, ein bislang kaum bekannter Superlativ.

Provinzialität muss bei Becker niemand befürchten: Unter dem Dach des Deutschen Museumsbundes gründete er vor zwei Jahren eine Arbeitsgruppe, die sich erstmals um unrechtmäßig erworbene naturkundliche Sammlungen oder Einzelobjekte im Besitz öffentlicher Museen kümmert – nicht nur aus der NS-Zeit, sondern auch aus der DDR. „Wir machen“, sagte Becker damals im taz-Interview, „ein Fass auf.“

Die Vorgänger lehnten ab

Mittlerweile scheint sich auch im Ministerium ein Bewusstsein dafür entwickelt zu haben, dass die naturkundlichen Häuser des Landes von berechtigten Restitutionsansprüchen nicht weniger betroffen sein können als die Kunstmuseen. Die Praxis zeigt allerdings, dass bei diesem Thema alle an einem Strang ziehen müssen: Es ist noch nicht lange her, dass Beckers Amtsvorgänger – ebenso wie dessen damaliger Kollege vom Oldenburger Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte – das Angebot des Ministeriums ablehnten, Provenienzforschung finanziell zu unterstützen.

Seit 2010 hat jedoch auch das Kulturgeschichtliche Museum einen neuen Direktor, den ebenfalls aus Bremen abgeworbenen Rainer Stamm. Der hatte im dortigen Paula Modersohn-Becker Museum erstmalig die Bestände systematisch auf ihre Herkunft überprüfen lassen, was prompt zu einem Aufsehen erregenden Restitutionsfall führte.

Bei seinen Recherchen in Oldenburg stieß Stamm bislang lediglich auf Fragezeichen, nicht aber auf Objekte, die bei „Lost Art“ registriert sind. Er sagt jedoch deutlich: „Es wäre fast ein Wunder, wenn es hier nichts gäbe.“ Mit anderen Worten: Um systematische Provenienzforschung kommt niemand herum.

Was Becker für sein Haus immerhin mit weitgehender Sicherheit ausschließen kann, ist, dass sich in dessen Magazinen restitutionsbedürftige „human remains“ anfinden, menschliche Überreste. Das Problem kennt er aus dem Bremer Überseemuseum: Als ehemaliges „Kolonialmuseum“ hat es viel mit Schrumpfköpfen und ähnlichen Sammlertrophäen zu schaffen, deren Rückgabe etwa von heutigen Stammesvertretern gefordert wird. Becker, 61 Jahre alt, hat die unterschiedlichen Interessenslagen auf eine für ihn typische Art gelöst, die klare moralische Grundsätze und Forschungsengagement pragmatisch vereinbart: Er kümmerte sich aktiv um Rückgaben, schickte die Herero-Schädel zuvor jedoch durch’s CT – die Computertomografie sicherte die relevanten Daten.

Bei den Moorleichen, die nun in Beckers Obhut sind, sind Rückgabebegehren nicht zu erwarten. Im Übrigen wird es spannend – was auch für Beckers Museumsarbeit insgesamt gilt. HB

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