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ortstermin: Niederländer-Kobern für PaulaDer Nordwesten erhitzt sich in Halle 7

In der Reihe „Ortstermin“ besuchen AutorInnen der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms

„Wir erleben einen Casablanca-Moment“, sagt Klaus Sondergeld. Er sagt es in einer gar nicht sehr romantischen Umgebung. Sondern in der Halle 7 des Messezentrums Bremen. Betonboden, darüber eine stahlrohrene Dachkonstruktion. „Es ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“, präzisiert der Humphrey Bogart des hanseatischen Marketings die Cineastenmetapher. Und er meint nichts weniger als die erstmalige Kooperation einer geradezu unüberschaubaren Menge von Museen, Touristikern und Metropolregion-AkteurInnen zu Ehren von Paula Modersohn-Becker. Die Malerin hat Todestag, und da ziehen alle an einem Strang, um den diversen Jubiläums-Ausstellungen zum Erfolg zu verhelfen.

Zunächst aber gibt Gerd Stötzel den Anti-Romantiker. Er ist Landrat von Diepholz, erster Vorsitzender der „Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten e. V.“ und sehr pragmatisch. Ob der Name seines Vereins „so furchtbar sexy ist“, sei nämlich „fürchterlich egal“ – weil jetzt der gemeinsame Kraftakt glückte. In Zahlen: 300 Plakate und 25.000 Flyer werden für 36.000 Euro in drei niederländischen Provinzen verteilt. Damit alle zu Paula kommen.

Die Pionier-Kampagne sei „eng an holländische Kommunikationsgewohnheiten angepasst“, erklärt Sondergeld, der sich nicht nur mit Filmen der 40er Jahre auskennt – hauptberuflich ist er Leiter der Bremer Marketing Gesellschaft. Wie also kommuniziert der Holländer? Selbst das Segment „55 plus“ nutzt regelmäßig das Internet, von nun also die Seite www.paula-parijs.nl; Anzeigen sind deutlich teurer, Plakate dafür billiger, Hauswurfsendungen auch. Das beste ist: In Groningen, dem Zentrum der geplanten Paula-Offensive, gibt es einen Mann namens Hummel, Harry Hummel: Der verteilt all die Flyer. Und heißt angeblich wirklich so.

Paula wiederum hat wirklich große Augen. Mit denen soll sie, hochgezogen auf Din A 0, nun möglichst viele HolländerInnen begucken, die dann zurückschauen und sich für eine Bustour nach Bremen, Oldenburg oder Worpswede entscheiden. Das Unternehmen „Public Express“ schaukelt an diesem metaphernreichen Tag nämlich mit im Boot, ein plakatbeklebter Bus ist einladend in der Halle vorgefahren. Wer einsteigt, sieht zum Beispiel „Paula in Paris“. Der Ausstellungstitel der Bremer Kunsthalle alliteriert wie ein plätschernder Platsch. „Paula Modersohn-Becker und die ägyptischen Mumienporträts“ – in den Kunstsammlungen Böttcherstraße – bedient sich ebenfalls des Stabreims, perlt allerdings weniger zuckersüß von der Zunge. Doch wer die Paulabilder neben den antiken Inspirationsobjekten hängen sehen wird, „dem springt es fast erotisch ins Auge“. Das sagt jetzt Prof. Dr. Rainer Stamm, der Direktor der Kunstsammlungen. Die Holländer können kommen. HB

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