: Liebesgrüße aus Las Vegas
TENNIS Serena Williams gewinnt in Australien ihren 19. Grand-Slam-Titel. Steffi Grafs Rekord ist zum Greifen nah
STEFFI GRAF
AUS MELBOURNE DORIS HENKEL
Im Sommer des Jahres 1999 trat Steffi Graf zurück, nach einer glanzvollen Karriere mit 22 Grand-Slam-Titeln im Einzel. Das schien ein fest im Boden verankerter Wert zu sein.
Doch die Erde bröckelt. Serena Williams kam in Melbourne mit ihrem Sieg über Maria Scharapowa (6:3, 7:6) bei Nummer 19 an, und Glückwünsche zur großen Tat kamen auch aus Las Vegas. Auf ihrer Facebook-Seite gratulierte Graf und schrieb: „Sie spielen und kämpfen zu sehen ist ein Privileg für jeden Tennisfan. Gut gemacht, Serena.“ Das wiederum kam bei Williams ziemlich gut an, die sich umgehend mit den wohl gewählten Worten revanchierte: „Wow. Ganz vielen Dank. Welche Ehre, so was von meinem ultimativen Vorbild zu hören. All meine Liebe.“
Ja, flöten kann sie, aber auch sonst eine Menge. In Verbindung mit loderndem Ehrgeiz, sensationeller Athletik und unstillbarem Siegeshunger mixt Williams seit Jahren einen explosiven Cocktail, gegen den offenbar kein so richtig Mittel hilft. Nach dem Finale, in dem die beiden dem begeisterten Publikum im zweiten Satz hundert krachend laute und superspannende Minuten schenkten, übertrieb der Moderator der Siegeszeremonie nur ein kleines bisschen. Er rief die Siegerin mit den Worten aufs Podium, sie sei ein Phänomen, eine Ikone, eine Legende.
Es wäre spannend zu sehen, wie ein Spiel zwischen Serena Williams und Scharapowa ausginge, wenn die amerikanische Russin einen ähnlich bombastischen Aufschlag hätte. Aber den hatte sie nie, und nach diversen Operationen an der Schulter wird das auch nicht mehr möglich sein.
Der zweite Satz, in dem es knallte, zischte und an allen vier Ecken lichterloh brannte, war so gut, dass keiner mehr darüber nachdachte, dass Scharapowa mehr als zehn Jahre lang nicht gegen Williams gewonnen hatte – es spielte in diesen Momenten einfach keine Rolle mehr.
Und nun? Bis zu Grafs Rekordmarke aus der Zeit des Profitennis fehlen der 33-jährigen Williams nur noch drei Titel.
Wird sie? Kann sie? Sie selbst sagt, das sei eine schwere Aufgabe, und sie wolle sich nicht von dieser Zahl unter Druck setzen lassen. Gemessen an der Erfolgsquote der vergangenen Jahre – 2014 gewann sie einen, in den beiden Jahren davor je zwei Titel – scheint der Masterplan 22 möglich zu sein. Aber es gab ja aus mancherlei Gründen von Verletzungen über Krankheiten bis zu familiären Katastrophen bereits diverse Pausen im breiten Erfolgsstrom ihrer Karriere.
Mit ihren Kräften hauszuhalten, ist sicher nicht ihr Ding; das wäre so, als würde man einem Feuer raten, auf kleinerer Flamme zu brennen. Aber Williams sagt, sie werde in diesem Jahr weniger spielen als 2014 und sich auf die großen Turniere konzentrieren. Viel Zeit zum Ausruhen bleibt im Moment jedoch nicht, weder für Scharapowa noch für Williams.
Die eine sprach mit unüberhörbarer Ironie davon, wie sehr sie sich auf den 30-Stunden-Flug nach Krakau freue, wo sie Ende dieser Woche mit der russischen Mannschaft im Fed Cup gegen Polen spielen muss. Die andere gehört zur US-amerikanischen Mannschaft, die eine Liga darunter in Buenos Aires zum Spiel gegen Argentinien erwartet wird. Beide tun sich den Ausflug an, um den Qualifikationskriterien des Internationalen Tennisverbandes (ITF) für die Olympischen Spiele 2016 in Rio zu folgen. Ihr Hunger ist noch lange nicht gestillt.
Djokovic siegt bei Männern
Das Australian-Open-Finale der Männer am Sonntag gewann übrigens der Weltranglistenerste Novak Djokovic aus Serbien in vier Sätzen gegen Andy Murray, die Nummer sechs der Weltrangliste. Mit 7:6 (7:5), 6:7 (4:7), 6:3 und 6:0 kämpfte der von Boris Becker betreute Djokovic den Schotten Murray nieder. Es ist bereits der fünfte Australien-Open-Sieg des 27-jährigen Djokovic und sein achter Grand-Slam-Titel.
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