: Grenzen ausgrenzen
MUSIK-PERFORMANCE Verkleidet hat sich Janine Rostron alias Planningtorock immer schon gern, bis sie gespenstisch fremd wirkte. Nun geht sie noch einen Schritt weiter: Aus der Masken- und Helmsammlerin wurde ein irritierend maskulin ausschauender Hybrid
VON MICHAEL SAAGER
Die Frage, was Janine Rostron grundsätzlich will, ist leicht zu beantworten: Einmal in die Rolle von Planningtorock geschlüpft, will sie Fantasien kitzeln. Aber vielleicht klingt „kitzeln“ auch zu niedlich. Rostron ist Absolventin der Sheffielder Art School und obwohl sie sogar ein Plattenlabel namens Nostron Records gegründet hat, hatte die in Berlin lebende Engländerin mit dem Musikmachen ursprünglich begonnen, um ihre Videos zu untermalen. Heraus kamen musikalisch-visuelle Symbiosen im allerinteressantesten Wortsinne.
Maximal einen Hüpfer von Planningtorocks Videoarbeiten entfernt sind (bzw. waren) die Live-Shows. Bei ihren zahlreichen Auftritten rund um den Erdball nach Veröffentlichung ihres zweiten Albums „Have It All“ vor fünf Jahren trug sie einen PTR-Zauberstab, an dem ein Plastikhirn pappte, dazu weite weiße Fantasie-Kostüme, zu denen einem beinahe Kampfsportarten in den Sinn kommen mochten. Pantomimenartig hatte sie ihr Gesicht kalkweiß geschminkt; spitze Zauberhütchen wechselten mit hübschen Helmen wie aus Cyberspace-Romanen oder Ritter-Filmen. Bisweilen tanzte sie auf der Bühne barfuß. Und selbstverständlich konnte man diesen ganzen Verkleidungshokuspokus ziemlich albern finden – gespenstisch fremd wirkte er aber eben doch: Man kam erst gar nicht auf die Idee zu lachen.
Die neue (Live-)Performance-Phase Planningtorocks ist reduzierter gestaltet. Man darf das durchaus ein bisschen schade finden. Einerseits. Andererseits ist Nostron nun nicht mehr nur auf der Bühne Planningtorock, sondern auch bei Interviewterminen usf. Es geht um permanente Verschmelzung. Aus der notorischen Masken- und Helmsammlerin wurde mittels Modelliermasse ein irritierend maskulin ausschauender Hybrid: „halb frühmittelalterliche Nasenhelm-Soldatin, halb Alien“ (Christoph Braun, Groove). Um die Erweiterung vorgefertigter Gender-Rollen – auch darum geht es ihr.
Da ist es nur konsequent, dass Nostron auf musikalischer Ebene die Genres verwirbelt: Denn Rock, wie ihr Künstlername vermuten ließe, war bereits ihr bemerkenswert „experimentelles“ Album „Have It All“ nur am Rande. Eingespielt hatte Rostron die Platte mit einem Vierspurgerät, Powerbook und Keyboards; die befreundeten Musiker Taylor Savvy und Mocky hatten Bass- und Schlagzeugsounds für sie produziert.
Mit Rock hat auch „W“, das tolle, im Sommer erschiene dritte Album, relativ wenig zu schaffen. Zwar kennt „W“ einige hochenergetische (Rave-)Momente. Doch sitzt das „Rockende“ meist an den Rändern dieser mächtigen, rhythmisch abwechslungsreich gespielten Realness-Manipulationsmaschine. Twang-Gitarre und das von Pat Mahoney gespielte Schlagzeug sind gewissermaßen devote Komplemente einer wahrhaft überwältigenden Echolot-Hall-Landschaft. Eine Sound-Landschaft, in der die ins Androgyne gepitchte Stimme Nostrons, synthetische Saxofone und Pizzicato-Streicher (der gelernten Violinistin) pathetisch-düstere Science-Fiction-Märchen für erwachsene Cyborgs zu erzählen scheinen.
James Murphy, Kopf von LCD Soundsystem und Mitbetreiber des New Yorker DFA-Labels, soll Nostron angeblich bekniet haben, das Album „W“ auf seinem Label zu veröffentlichen. Seine E-Mails: Liebeserklärungen an Nostrons Performances und ihre Musik. Wie auch immer. Nostron hat bei DFA unterschrieben. Eine schöne Verbindung.
■ Mo, 17. 10., 21 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20
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