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die taz vor 10 jahren über die schlaffen deutschen

Nichts geht über den deutschen Mann in der Krise. Da wächst er über sich selbst hinaus, denkt und sagt, was endlich gesagt werden muß. Ein „Ruck“ muß durch das Land gehen, sagt der Bundespräsident. „Früher aufstehen“ fordert der Kanzler. „Helden braucht es“, sagt der Schriftsteller. Der heißt ganz unheldenhaft Peter Schneider, kommt gerade aus Amerika zurück und schätzt die Amerikaner, weil sie so wunderbar optimistisch sind. Die Deutschen findet er „verweichlicht“ und mit dem krankhaften Bedürfnis belastet, sich „in Schuld und Untergangsbildern zu suhlen“. Ja, so kennen wir ihn, den homo germanicus: gierig die saftige Lohnerhöhung mit der rechten Hand verfressend, schlägt er mit der linken zur Selbstkasteiung Goldhagens „Hitlers willige Vollstrecker“ gegen sein schlaffes Gewebe, während das Kleinhirn fieberhaft nach neuen Apokalypsebildern fürs Gemüt sucht – Russenmafia, Rentenlücke und Rechtschreibreform. Deutsches Multi-Tasking. Darauf mußte erst mal einer kommen: Wir kriegen die Wirtschaftskrise nicht in den Griff, weil wir zuviel über den Holocaust grübeln.

Aber da kommt ein anderer Denker aus Deutschland mit einem noch besseren, ja genialen Rezept zur Gesundung und Straffung des Landes: Wir haben zu viele Arbeitslose, sagt Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, in der New York Times. Die Amerikaner haben zu wenige. Was liegt da näher, als einen Exportzweig zu eröffnen à la „Geht doch nach drüben zum Arbeiten“. Den Haken erkennt ausgerechnet der Schriftsteller, obwohl der doch optimistisch sein wollte: Für die Wanderung über den Atlantik sind die Deutschen einfach zu verweichlicht und verwöhnt. In ihrer unnachahmlichen Anspruchshaltung verlangen sie doch tatsächlich, daß man hier Arbeitsplätze schafft. Typisch deutsch. Andrea Böhm, taz vom 8. 10. 1997

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