: Ein erprobter Krisenmanager gibt auf
Tom Koenigs ist einer, der die Profilierung nie nötig hatte. Großbürgerlich im Internat erzogen, absolvierte der heute 63-Jährige seinen Wehrdienst, machte eine Bankleh- re, studierte Betriebswirtschaft. Durch die Studentenbewegung politisiert, kam er Anfang der 70er-Jahre nach Frankfurt am Main. Dort hatte sich der „Revolutionäre Kampf“ gerade der Betriebsarbeit verschrieben.
Koenigs war ein ungewohnter Mitstreiter in der Spontiszene. Meist wirkte er unprätentiös, aber unentbehrlich im Hintergrund. Er bevorzugte die leisen Töne, setzte sich mit Charme und damals auffälliger Disziplin durch. Der Weggefährte von Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer absolvierte seinen Betriebskampf bescheiden als Lehrling der Feingeräteelektronik in einer kleinen Firma im Stadtteil Oberrad. Die Finanzen blieben sein Metier. Für die chaotische Buchhaltung der linken Karl-Marx-Buchhandlung war er erheblich überqualifiziert. Dass er das Erbe seiner Kölner Bankiersfamilie 1973 an den Vietcong und den chilenischen Widerstand spendete, hätte er am liebsten gar nicht öffentlich gemacht.
1983 trat Koenigs in die Partei Die Grünen ein und blieb wieder im Hintergrund. Als Fraktionsassistent im Landtag schrieb er die Sitzungsprotokolle der Etatverhandlungen und wurde 1987 Büroleiter des Umweltministers Joschka Fischer. Als die Grünen in den Frankfurter Römer einzogen, baute er das Umweltdezernat auf. 1993 wurde er außerdem Stadtkämmerer. Er setzte konsequent auf Schuldenabbau. Mit Sicherheit ist es Koenigs mitzuverdanken, dass die Mainmetropole in Umfragen vom Schmuddelimage zur Stadt mit Lebensqualität wurde. Das grüne Versprechen, den Autoverkehr zu reduzieren, konnte er in der Koalition mit der SPD nicht einlösen. Seine Parteikarriere endete nach Wahlniederlagen und internen Kämpfen der Grünen 1997.
1999 begann er seine zweite Laufbahn als weltweiter Krisenmanager. UN-Generalsekretär Kofi Annan holte ihn als Leiter der Übergangsverwaltung in den Kosovo. 2002 ging er als Leiter der UN-Friedensmission nach Guatemala, wechselte 2005 als Menschenrechtsbeauftragter der Bundsregierung kurz nach Berlin, ehe er Anfang 2006 seine neue Mission in Afghanistan antrat. Schon im vergangenen Jahr erregte er Unmut in den USA, als er militärische Überpräsenz kritisierte und den Sinn des Einsatzes der Isaf-Truppen infrage stellte. Es werde international zu wenig getan, um wirkungsvoll helfen zu können, warnte er. Er setzte sich für Gespräche mit gemäßigten Gruppen der Taliban ein. Für den Frieden müsse man auch bereit sein „mit dem Teufel zu verhandeln“. Zum Jahresende gibt er sein Amt auf.
HEIDE PLATEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen