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Das Thema Nummer 1

Zur Einstimmung mal ein älteres Liedzitat von Jochen Distelmeyer: „Lass uns nicht von Sex reden / ich weiß gar nicht, wie das gehen soll: / sich vereinigen.“ Was dann ja der erste Hit von Blumfeld war.

Die zwei oder drei Dinge, die man von Serge Gainsbourg weiß, sind, dass der französische Chansonnier ein exzessiver Raucher war und ein Erotomane, der von einem gepflegten Barjazz schließlich zum Pop und Rock kam in seinen Liedern, die man in seiner Heimat vielleicht ein wenig besser kennt, während er im Rest der Welt vor allem wegen diesem einen Lied berühmt ist. Das mit der schwülen Orgelmelodie und dem netten Kopfkissenwitz: „Ich liebe dich“, murmelt sie, und er „ich auch nicht“. Also „Je t’aime … moi non plus“, das Duett von Serge Gainsbourg mit Jane Birkin, bei dem es im Lauf des Liedes zu einem verstärkten Keuchen kommt zu den recht expliziten Lyrics, was dann natürlich der allgemeine Hit war Ende der 60er Jahre. Wobei schon gesagt werden muss, dass damals nicht alle an dem Lied ihren Gefallen gefunden haben. Manchen war es eben ein wenig zu freizügig. Der Vatikan protestierte, und der zuständige Vertriebsleiter der italienischen Plattenfirma soll sogar exkommuniziert worden sein. Das liest sich aus einer heutigen in allen Sexfragen gestählten Perspektive als einigermaßen skurrile Randnotiz der Popgeschichte, selbst wenn man bei der Suchanfrage nach „Beischlafmusik“ von Google schon noch nachgefragt wird, ob man nicht doch „Einschlafmusik“ meine. Meint man die nicht, stößt man beim ersteren Stichwort gleich auf die Plauderseiten, auf denen man sich über die wesentlichen Dinge austauscht und etwa um Beiträge zu einer „Musikkollektion für meine Bettolympiade“ bittet oder die Frage geklärt werden soll, „was die Mädels in Stimmung bringt“. Auf diesen Seiten ist „Je t’aime … moi non plus“ durchaus noch ein Thema, aber öfter findet sich eigentlich der Verweis auf Rammstein. Das mag nun ein Zufall sein und sagt letztlich nur, dass auch in diesen Zusammenhängen die musikalische Orientierung eben eine Geschmacksfrage bleibt. Wobei die Populärmusikforscher dazu raten, bei der Begleitung von Geschlechtsverkehr eher auf unauffällige Musik zurückzugreifen, weil ein allzu expliziter Stöhnsong doch ablenken könnte von dem einen, wie in dem von Dietrich Helms und Thomas Phleps herausgegebenen Band „Thema Nr. 1: Sex und populäre Musik“ (Transkript Verlag, 2011) zu lesen ist.

Eine Betonungsfrage: Blumfeld singen ja auch: Lass uns nicht von Sex reden. Und Jane Birkin singt heute Abend in der Philharmonie die Lieder von Serge Gainsbourg. THOMAS MAUCH

■ Jane Birkin sings Gainsbourg: Philharmonie KMS. 28. 10., 20 Uhr

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