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Manu, meine Mitbewohner und ich

Nach sechs Jahren Albumabstinenz meldet sich der unbestrittene „Popstar der Globalisierungskritik“ und Gran Señor des Mestizo Manu Chao mit „La Radiolina“ zurück. Morgen stellt er das Album in der Sporthalle vor

Wie die Zeit vergeht… Fast 20 Jahre ist das nun schon her, dass ich mit Manu Chao Fußball gespielt habe. Damals vor der Freilichtbühne im Stadtpark. Ich war 15, hatte meine erste hippieske Phase und gerade in einer brisanten Zusammenkunft von überschwenglicher Weltoffenheit und jugendlicher Naivität beschlossen, mich fortan für Hip-Hop zu interessieren und Wursthaare zu kultivieren. Mein zweiter Konzertbesuch überhaupt sollte folgerichtig den Native-Tongue-Hippie-Hoppern von „De La Soul“ gelten. Die hatten gerade ihre erste Platte draußen und boten sich schon ihrer Putzigkeit wegen für einen sanften Einstieg an. Natürlich fand ich sie super. Aber noch aufregender war die Vorband: Manu Chaos „Mano Negra“. Und dann verkauften sie auch noch ihre T-Shirts selbst und spielten mit uns Fußball! Hier wehte ein ganz anderer Wind als bei meinem Konzert-Debüt: „Depeche Mode“ in der Alsterdorfer Sporthalle…

In die Sporthalle bin ich seitdem nie wieder gegangen. Und es ist wohl den Unwägbarkeiten der stürmischen Jugend und dem Überangebot an popkulturellen Orientierungshilfen geschuldet, dass aus der sommerlichen Begeisterung für rebellische Mestizo-Sounds keine intensive Beziehung wurde. Zwar bin ich etwas später mit dem über die meisten „Mano Negra“-Platten Verfügenden meiner Freunde zusammengezogen. Doch nach einem Jahr wurde seine Freundin schwanger und mit ihm ist dann auch Manu Chao vorerst bei mir ausgezogen.

Lange habe ich dann nichts mehr von ihm gehört, bis eines Tages das Chao’sche Solo-Werk „Clandestino“ es in die strenge alltägliche Rotation meiner damaligen Mitbewohnerin schaffte: Olodum, Thomas D. und nun „I’m the king of bongo, baby, I’m the king of bongo-bong“ – tagein, tagaus. Nicht gerade gute Voraussetzungen für eine Liebe auf den zweiten Blick. Spätestens als jeder Demo-Lautsprecherwagen, jedes Café und jeder Sportschuhladen sich gefühlte zwei Jahre lang der Chao-Dauerbeschallung meiner Mitbewohnerin anschloss, war es mit Manu, seinen Fans und mir aus.

Aber das ist nun auch schon fünf Jahre her. Mittlerweile habe ich wieder eine neue Mitbewohnerin. Vielleicht können Manu und ich jetzt Freunde werden. Manchmal braucht man ja nur ein wenig Abstand. Auf dem neuen Album „La Radiolina“ hat er zumindest alles richtig gemacht. In Sachen poetische Kapitalismuskritik lässt er die meisten anderen weit hinter sich und die zurückgekehrte Rockaffinität werte ich mal als Schritt in meine Richtung.

Ob ich deswegen doch noch mal in die Sporthalle gehe, ist aber eher fraglich. Fußball würde Manu mit mir sicher nicht mehr spielen und auch die T-Shirts verkauft bestimmt ein anderer. Vielleicht schwelge ich stattdessen zwei Tage später in der Fabrik in Erinnerungen. Da spielen nämlich „De La Soul“. Deren letzte Veröffentlichung war bodenständig: ein Mixtape mit unveröffentlichten Songs. Und mit ein bisschen Glück verkaufen sie das sogar selbst.

ROBERT MATTHIES

Manu Chao: Fr, 19. 10., 20 Uhr, Alsterdorfer Sporthalle, Krochmannstr. 55 De La Soul: So, 21. 10., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36

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