piwik no script img

Wer ist die Operndiva, die der Mutter so ähnlich sieht?

FRAUENPERSPEKTIVEN Was für ein vielversprechend komödiantischer Beginn! Die Regisseurin Margarethe von Trotta schickt Barbara Sukowa und Katja Riemann auf eine Familienrecherche nach New York: „Die abhandene Welt“ (Berlinale Special)

Sie sind eines der winning teams der deutschen Filmgeschichte: die Regisseurin Margarethe von Trotta und die Schauspielerin Barbara Sukowa. Zusammen haben sie eine einzigartige Reihe von relevanten Frauenporträts geschaffen. Und auch wenn ihren Filmen wie „Die bleierne Zeit“ (1981), „Rosa Luxemburg“ (1986), „Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“ (2009) und zuletzt „Hannah Arendt“ (2012) sämtlich jene gewisse, oft ja auch charmante Schwerfälligkeit des „deutschen Films“ anhaftet, so sind die Verdienste des Teams von Trotta/Sukowa um die Frauenperspektiven der deutschen Historie doch unbestritten. Und ein Werk, in dem von Trotta die Fassbinder-Darstellerin Barbara Sukow mit der vielgeschmähten Katja Riemann zusammenbringt, lässt die Erwartungen erstmal steigen.

Von Trotta und die Berlinale dagegen waren nie ein winning team. Seit „Das Versprechen“ als Film außer Konkurrenz 1995 den Wettbewerb der Berlinale eröffnete und gnadenlos verrissen wurde, liefen „Rosenstraße“ oder „Hannah Arendt“ nur noch in der „Info-Schiene“ zum deutschen Film. Ach, hätte es 1995 schon die Sektion „Berlinale Special“ gegeben, in deren Rahmen nun „Die abhandene Welt“ Premiere feiert, uns allen wäre einiges erspart geblieben. Stellt die Sektion doch eine mitunter segensreiche Verlegenheitslösung dar: Man zeigt hier die Filme, die man aus verschiedensten Gründen für nicht satisfaktionsfähig erachtet, deren Personal man aber gern auf einem Roten Teppich präsentieren möchte.

Dabei nähren die ersten Szenen von „Die abhandene Welt“ die Hoffnung, von Trottas Film wäre dem Auswahlkomitee vielleicht zu komödiantisch-leicht für den Wettbewerb erschienen. Was für ein vielversprechender Beginn: Da sitzt Katja Riemann einem jungen Paar gegenüber, das in „freier Zeremonie“ heiraten möchte. Riemann verkörpert Sophie, die sich als Rednerin bei solchen Zeremonien ein Zubrot zum kärglichen Musikerlohn hinzuverdient, den sie als Barsängerin bekommt. Mit ein paar Fragen nur und einem platzierten Lächeln bringt sie hier das Paar vor ihr fast dazu, es sich mit der Heirat noch mal anders zu überlegen. Und für Momente scheint jene herrliche Zickigkeit auf, die Riemann als berufsmüde Schuldirektorin in „Fack ju Göhte“ völlig zu Recht ein neues Karrierehoch verschaffte.

Doch schnell wird aus Riemanns Sophie ein braves Töchterchen, das sich von ihrem Vater (Matthias Habich) nach New York schicken lässt, um dort einer berühmten Operndiva nachzuspionieren. Die Diva – von Barbara Sukowa mit solcher Gewichtigkeit gespielt, dass es jeder Szene die Luft absaugt – sieht der jüngst verstorbenen Mutter von Sophie verblüffend ähnlich. Vater Paul hatte ihr Foto im Internet entdeckt. „Ich lese ja nun manchmal die New York Times im Netz“, erklärt er, denn der deutsche Film lässt seine Figuren gern über das sprechen, was sie gerade tun. Nie wurden verbal mehr Tee und Suppe gekocht, ganz abgesehen vom Klassiker des Füllsel-Dialogs: „Mein Telefon klingelt!“

Aber es gibt auch Dinge, über die nicht gesprochen wird. Sie treiben dafür die Handlung voran. So verschweigt der Vater, dass er von Anfang an im Grunde weiß, was er seine Tochter auf etwas mühseligen Wegen in New York herausfinden lässt: nämlich wer diese Frau ist, die Sophies Mutter so ähnlich sieht. Sophie ist darüber schlussendlich wenig gekränkt, findet sie in New York doch wie in einer Romantic Comedy mit Meg Ryan (der sie hier verblüffend ähnlich sieht) flugs einen gut aussehenden, für die Handlung aber nicht weiter wichtigen Mann. Was schade ist, denn diese flache Liebesgeschichte scheint immer noch nachvollziehbarer als die Haupthandlung, in der Bruderzwist und weggeschenkte Babys für Stirnrunzeln sorgen.

BARBARA SCHWEIZERHOF

■   14. 2., Cubix 8, 18 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen