: Abgang eines Linken
Neulich im Wirtschaftsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft: Es geht um die Entwicklung des Hafens, der zuständige Senator, Frank Horch, ist anwesend und Joachim Bischoff ergreift das Wort. Der lobt er die Politik des Senators – dem solche Zustimmung ausgerechnet vom Finanzfachmann der Linksfraktion sichtlich unangenehm ist. „Was“, mag der Ex-Manager Horch sich fragen, „hab ich falsch gemacht?“
Das Lob aber ist ein „Bischoff-Lob“: Es lockt auf eine falsche Fährte, und nach ein paar einschmeichelnden Sätzen nimmt der graubärtige Bischoff die Politik des Senators auseinander: kompetent, unaufgeregt, mit kalkulierter Emotionalität und angespitzter Zunge.
Es ist ein typischer Auftritt Joachim Bischoffs – und einer der letzten in diesem Rahmen. Zum Ende des Monats gibt der 67-Jährige sein Abgeordnetenmandat zurück, die Arbeitsbelastung als Abgeordneter und das fortgeschrittene Alter lassen sich für den Perfektionisten nicht länger miteinander vereinbaren.
Mit Bischoff verliert Hamburgs Linkspartei ein Aushängeschild – und die Bürgerschaft einen der letzten bekennenden Sozialisten. Als Publizist hat er die politische Ökonomie des Kapitalismus beackert, gibt er die Zeitschrift Sozialismus mit heraus. Bei aller theoretischen Expertise hat er im Hamburger Parlament, dem er seit 2008 angehört, immer wieder mit aller Akribie ganz praktische Fragen bearbeitet.
Bischof ist ein Arbeitstier. Die Ordner füllenden Haushaltspläne des Senats oder die Aktenberge des HSH-Nordbank-Untersuchungsausschuss: Er hat sie nicht nur gelesen, Bischoff bringt sie auch auf einen knappen Nenner wie kein zweiter Abgeordneter: Er reduziert die Komplexität noch der vielschichtigsten Haushaltsarithmetik – aber nicht deren Inhalte.
Selbst seine politischen Gegner haben hohen Respekt vor dem Sachverstand und der rhetorischen Brillanz Bischofs, dessen politischer Weg über den SDS, die SPD, die PDS und die WASG zur Partei Die Linke führte. Nachfolger als Haushaltsexperte der Hamburger Linken wird der Abgeordnete Norbert Hackbusch. MARCO CARINI
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