: Schäuble, der Kapitalistenschreck
ERBSCHAFTSTEUER II Die Wirtschaftslobby läuft Sturm gegen Wolfgang Schäubles Pläne. Eine seiner Ideen trifft vor allem Superreiche
BERLIN taz | Sitzt mit Wolfgang Schäuble ein verkappter Linker im Kabinett? Wer Lutz Goebel, dem Chef des Verbandes „Die Familienunternehmer“, zuhört, könnte auf den Gedanken kommen. Schäuble mache „einen großen volkswirtschaftlichen Fehler“, wettert Goebel. Der CDU-Finanzminister gefährde das Familienunternehmertum in Deutschland.
Der Grund für die wütende Kritik diverser Wirtschaftsverbände sind Schäubles Pläne für eine neue Erbschaftsteuer. Faktisch zahlt im Moment kaum ein Unternehmenserbe diese Steuer. Selbst Erben von Großkonzernen sind zu 100 Prozent befreit, wenn sie das Unternehmen und die Arbeitsplätze sieben Jahre lang erhalten. Das tun fast alle. In den Jahren 2012 und 2013 wurden Vererbungen ab 20 Millionen Euro zu über 90 Prozent von der Steuer befreit, rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor. Der Staatskasse geht also viel Geld verloren.
Das Verfassungsgericht hatte die Privilegierung von Unternehmenserben gegenüber Erben privaten Vermögens im Dezember für verfassungswidrig erklärt und Änderungen verlangt. Finanzminister Schäuble hat seine Ideen in ein Eckpunktepapier gegossen, das er am heutigen Donnerstag mit den Landesfinanzministern besprechen will. Darum geht es:
20-Millionen-Euro-Grenze
Wird eine Firma mit einem Wert unter 20 Millionen Euro vererbt, gilt weiter die großzügige Verschonung. Erben von wertvolleren Großunternehmen müssten aber zahlen. Das Betriebsvermögen – etwa Maschinen oder Produktionshallen – bleibt verschont, nicht aber das Privatvermögen. Dieses dürfte das Finanzamt zur Hälfte heranziehen, um die Steuerschuld zu begleichen.
Dieser Vorschlag ist für einen CDU-Politiker durchaus progressiv, weil er die Superreichen träfe. Manche Familienunternehmen sind dreistellige Millionen-, gar Milliardenbeträge wert. Daher wären die Erträge für den Staat selbst bei gleich bleibenden Steuertarifen erklecklich. Ein Nebeneffekt: Die Finanzämter erhielten Einblick in die Welt der Vermögenden. Sie wüssten mit der Zeit, welche Familiendynastie welche Ländereien, Villen und sonstigen Werte besitzt.
Die Lohnsummenregelung
Steuerbefreite Firmenerben müssen ihre Arbeitsplätze erhalten. Dies wird momentan durch die sogenannte Lohnsummenregelung geprüft. Die Firmen müssen nachweisen, dass die Summe ihrer gezahlten Löhne eine bestimmte Zeit lang stabil bleibt. Kleinbetriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern werden nach geltendem Recht auch ohne Lohnsummennachweis von der Erbschaftsteuer verschont. Sie müssen den Betrieb lediglich fünf oder sieben Jahre fortführen.
Diese Regeln müssen geändert werden. Schäuble nimmt die Kritik aus Karlsruhe auf, dass ein Großteil der Firmen nicht ausreichend geprüft werde. Er will nur noch Kleinbetrieben bis zu einem Wert von einer Million Euro erlauben, auf die Lohnsummenregelung zu verzichten. Er bürde Betrieben unnötig mehr Bürokratie auf, kritisieren Unternehmerverbände. ULRICH SCHULTE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen