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Millionen statt Milliarden

KRISE Ein Riesenaufreger in vielen Medien: Athen ignoriere, dass Griechen 800 Milliarden Euro Schwarzgeld in der Schweiz versteckt hätten. Allein: Die Nachricht war falsch

Hilfsprogramm für Arme stößt auf Widerstand der internationalen Gläubiger

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Griechenlands Finanzminister Gianis Varoufakis ignoriere trotz der akuten Finanzkrise seines Landes 800 Milliarden Euro Schwarzgeld, das auf Schweizer Bankkonten liege. So meldete es die Welt am Sonntag, sogar die FAZ und Talkshowmoderator Günther Jauch zitierten die Story. Doch nun räumte das Springer-Blatt ein: Statt um 800 Milliarden geht es nur um 800 Millionen – also um einen tausendmal kleineren Betrag.

Auch die Behauptung, seit Februar 2014 liege ein großzügiges Angebot der Schweizer Behörden vor, das Geld aufzuspüren und nach Athen zu überweisen, stimmt so nicht. Denn es gehe gar nicht um eine Rückzahlung, sagte der taz der grüne Europaabgeordnete und Finanzexperte Sven Giegold, der der Geschichte nachgegangen ist. Die Schweiz habe lediglich die anonyme Regularisierung von Altlasten angeboten, um ihre vermögende griechische Kundschaft vor Strafverfolgung zu schützen. „Es ist richtig, dass Griechenland wie fast alle anderen europäischen Länder dieses vergiftete Angebot ausgeschlagen haben.“

Der Welt-Bericht schüre „weiteren Unfrieden und Ressentiments zwischen Griechen und Deutschen“, so Giegold. Statt mit Falschmeldungen Öl ins Feuer zu gießen, sollten Deutschland und Griechenland wieder zu einer sachlichen Debatte zurückkehren. Nötig sei ein europäischer Pakt gegen die Steuerflucht.

Wie nötig ein Steuerpakt wäre, zeigt auch das Beispiel Großbritannien. Ähnlich wie die Schweizer begünstigen die Briten die massive Kapitalflucht aus Griechenland. Nach einem Bericht des ARD-Magazins „Report Mainz“ bietet London reichen Griechen sogar ein spezielles Steuersparmodell an, mit dem sie sich von griechischen Ansprüchen freikaufen können. Wer seinen Wohnsitz nach Großbritannien verlegt und mindestens 30.000 Pfund zahlt, bleibe von lästigen Nachfragen verschont.

Doch die Eurogruppe, die von der griechischen Regierung einen entschiedenen Kampf gegen Steuerflucht fordert, ist diesen Vorwürfen bisher nicht nachgegangen. Offizielle Begründung: Großbritannien und die Schweiz seien nicht Mitglied der Eurozone. Stattdessen nahm Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem erneut Athen in die Pflicht: Dem Land drohe das Geld auszugehen. „Der Druck auf Griechenland wächst“, warnte der Niederländer.

Vom EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel beginnt, ist offenbar keine Entspannung zu erwarten. Zwar möchte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras das Treffen der Staats- und Regierungschefs nutzen, um Hilfe gegen die akute Finanznot zu organisieren. Doch aus Berlin kam schon eine Absage. Bisher sei nicht einmal klar, ob der Gipfel überhaupt über Griechenland sprechen werde, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Falls EU-Ratspräsident Donald Tusk zu einem solchen Treffen einlade, werde sich Kanzlerin Angela Merkel nicht verweigern. Klar sei aber, dass die Beurteilung der Lage in Griechenland nur von den Institutionen EZB, EU-Kommission und IWF getroffen werde. Grundlage aller Gespräche seien die Vereinbarungen der Eurogruppe vom 20. Februar.

Damals hatte sich die Athener Linksregierung – nach massivem Druck aus Berlin – zu einem neuen Reformprogramm verpflichtet. Dabei geht es auch um Strom und Essensmarken für mittellose Menschen und um die Möglichkeit für säumige Schuldner, ihre Schulden in bis zu hundert Raten abzustottern. Dafür stellte das griechische Parlament am Mittwoch 200 Millionen Euro bereit. Doch ausgerechnet diese Hilfen werden nun von den drei Institutionen wieder infrage gestellt.

Athen dürfe dies nicht einfach so beschließen, sondern müsse „angemessene Konsultationen“ mit der Troika führen, warnte der EU-Vertreter in den Gläubiger-Institutionen, Declan Costello. Ein Veto sei aber nicht geplant, stellte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici klar. Doch der Eindruck bleibt: Bei den Reichen drückt die Eurogruppe beide Augen zu, bei den Armen bleibt sie hart.

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