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Alles eine Frage von Druckstörungen

LÄRM Flugzeuge werden immer leiser. Das ist auch ein Verdienst von Dieter Peitsch. Der Ingenieur optimiert an der TU Triebwerke

„Direkt am heißen Prüfstand ist der Lärm kaum auszuhalten“

TRIEBWERKSINGENIEUR DIETER PEITSCH

VON KRISTINA PEZZEI

Die dicke, grüne Eisentür fällt mit lautem Knall ins Schloss. „Schallgedämpft“, sagt Dieter Peitsch und klopft mit dem Zeigefinger dagegen. „Hier drin kann es ganz schön laut werden.“ Der Ingenieur und Luftfahrttechniker steht am Eingang einer langen, fensterlosen Halle. Auf dem Boden, an den Seiten, in der Luft verlaufen mit Dämmmaterial verkleidete Rohre, die in Metallgehäusen oder zylindrischen Maschinen enden. Auf einem Prüfstand ist ein Flugtriebwerk aufgebaut, auf dem Boden sind Kabel verlegt. Was für Laien nach genialem Chaos aussieht, hat für Peitsch und seine Mitarbeiter an der Technischen Universität (TU) Sinn und System: Sie erforschen, wie Triebwerke von Flugzeugen leiser und effizienter werden können.

Zentrum dieser Anordnung in einem TU-Gebäude an der Marchstraße ist der Heiß-Akustik-Teststand (HAT), eine zwei Millionen Euro teure Metallschlange. Jetzt wird klar, dass Peitsch nicht untertrieben hat mit „ganz schön laut“: Es geht um die Simulation von Fluglärm. Das bundesweit einmalige Testgerät ist das Herzstück eines Gemeinschaftsprojekts der TU und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seit es im März in Betrieb ging, ist die Nachfrage vor allem von Unternehmen stark gestiegen. Kein Wunder: Weniger Fluglärm bei möglichst großer Treibstoffeffizienz ist eine der großen Herausforderungen der Branche. Dabei ist es wohl weniger die gesellschaftliche Verantwortung für lärmgeplagte Flughafenanrainer, die die Konzerne antreibt – sie denken einfach an ihre Kosten: Je lauter ein Flugzeug, desto mehr verlangen Airports für Start und Landung. Und umso schwieriger ist es, solche Flieger in stadtnahen Flughäfen überhaupt landen zu lassen.

„Lärm ist nichts als eine Druckstörung.“ Peitsch ist es gewohnt, seine Forschung Menschen mit unterschiedlicher Vorbildung zu erklären. Er hat bei Rolls-Royce gearbeitet, in London und Berlin, gut verdient und gut gelebt – und dem Lockruf der Universität dann doch nicht widerstanden. An der TU warteten auf den 47-Jährigen ein eigener Lehrstuhl, wissbegierige Studierende, die seit Jahren der Nachbesetzung der Professur harrten. Fünf Jahre ist das her, fast so alt sind auch die Planungen für den HAT. Peitsch durfte und musste sich ein ganzes Team neu aufbauen. Den Kontakt zu seinem früheren Arbeitgeber hat er dabei gehalten, die seit Jahren guten Verbindungen zum DLR halfen auch bei Planung und Bau der Metallschlange.

Der Forscher referiert also, anschaulich und wie in einer Vorlesung, über Schallgeschwindigkeit, Strömungen und Druckstörungen. Zu Letzteren kommt es, wenn Luftmoleküle aufeinanderstoßen oder zusammengedrückt werden. In Triebwerken und im Abgasstrahl von Flugzeugen geschehen solche Kollisionen milliardenfach. Die Folge: Es wird laut. „Man muss eine Balance finden zwischen Triebwerksgröße, Geschwindigkeit und Umweltfreundlichkeit“, erklärt Peitsch. Schadstoffärmere Luft-Kerosin-Gemische sind zwar umweltfreundlicher, verbrennen aber instabiler und machen dadurch mehr Lärm. Außerdem brauchen sie Luft, die ansonsten zur Kühlung der Brennkammer verwendet werden könnte.

An diesem Gleichgewicht forscht die TU. Ein Triebwerk komplett nachzubauen wäre zu komplex, in der Versuchsanordnung ist der Antrieb deshalb auf wesentliche Komponenten reduziert. Der Teststand ist TÜV-zertifiziert, die Treibstoffleitungen sind zur einfacheren Kontrolle oberhalb des Fußbodens verlegt.

„Wenn die Luft die Messkammer erreicht, ist sie 550 Grad Celsius heiß“, sagt Peitsch. „In der Kammer schauen wir dann, wie sich die einzelnen Komponenten in der Strömung verhalten.“ In einem Triebwerk gibt es viele Einzelteile, die sich in verschiedenen Geschwindigkeiten und Richtungen drehen oder statisch sind. Alles Lärmquellen. Denn sie erzeugen die Druckunterschieden in der strömenden Luft.

Eine Möglichkeit zur Lärmverringerung ist, Triebwerkschaufeln anders auszurichten, eine andere ist, die Flugzeugmotoren mit dünnen, gelochten Platten auszukleiden. Diese sogenannten Helmholtz-Resonatoren filtern die Schallwellen quasi heraus. Sie können in verschiedenen Positionen am Triebwerk angebracht werden. Wo genau, in welcher Dicke, auf welche Frequenzen es ankommt – all das müssen die Wissenschaftler genau austarieren, damit der Motor möglichst leise arbeiten kann.

In der Steuerungszentrale, einem Glaskasten in der Mitte der Halle, liegen viele gelbe Ohrenschützer, ähnlich denen, die Bauarbeiter benutzen. „Direkt am heißen Prüfstand ist es kaum auszuhalten“, sagt Dieter Peitsch. Die dicken Türen sorgen dafür, dass kein Lärm nach draußen dringt, deswegen gibt es auch keine Fenster in der Halle. Vom Häuschen aus hat man einen guten Überblick über die verschiedenen Versuchsanordnungen. Dass es hier nach nichts riecht, das Raumklima sich weder warm noch kalt anfühlt, erzeugt ein surreales Gefühl beim Besucher.

In seinem Büro erläutert Peitsch an einem Triebwerksmodell, wie die lärmdämpfenden Platten verschoben und verdreht werden können. Das erscheint selbst in dieser reduzierten Version ziemlich kompliziert. Umso schwieriger ist es für Laien, sich die inneren Vorgänge im Teststand der Halle vorzustellen – geschweige denn dessen praktische Auswirkungen.

Ein halbes Dutzend abgeschnittener Krawatten und zwei Halstücher beweisen, dass Peitsch nicht der einzige Triebwerksexperte an der TU ist. Es sind Trophäen erfolgreicher Doktoranden, die an einem Windkanal entlang an einer Schnur aufgespannt sind. „Das sind so unsere Rituale hier“, sagt Peitsch. Sieben Mitarbeiter hat er, darunter eine Frau. Er selbst konzentriert seine Forschungen inzwischen auf das Zusammenspiel anderer Flugzeugteile. „Triebwerke sind ja schon extrem leise geworden“, so der Ingenieur. Deshalb würden die Geräusche anderer Komponenten wichtiger – der Klappen oder des Fahrwerks. Der Lärmminimierer ist sich sicher, dass ihm die Forschungsthemen so schnell nicht ausgehen: „Bis man Flugzeuge wirklich nicht mehr hört, das dauert noch.“

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