: Der Duft der neuen Zeit
Ein Besuch im Museum in der alten Produktionsstätte des originalen Kölnisch Wasser. Sein Schöpfer, Johann Maria Farina, war ein italienischer Meister der schönen Kunst der Duftherstellung
VON CHRISTEL BURGHOFF
Der Alchimist in seinem Labor, vielleicht Doktor Faustus, der im Geheimen Essenzen destilliert, es in Kübeln brodeln und in Glaskolben dampfen lässt? Solche Gedankensplitter stellen sich ein beim Abstieg in die Kellergewölbe der Farinas in Köln. Denn im Museumskeller stehen alte Destillierapparate und Kupferkübel, lagern Tiegel und zahllose beschriftete Ampullen und Apothekerflaschen in Wandregalen. Es ist die alte Produktionsstätte des originalen Kölnisch Wasser. Johann Maria Farina, sein Schöpfer, war ein italienischer Meister der schönen Kunst der Duftherstellung, er soll die absolute Nase gehabt haben. 1714 trat er in die Kölner Handelsfirma seines Bruders Johann Baptist Farina ein. Den großartigen Duft eines italienischen Frühlingsmorgens hatte der Parfümeur im Kopf, als er sich in Köln an die Arbeit und sein Eau de Cologne weltberühmt machte. Und zweifellos hatte Farina auch ein gutes Näschen für den Duft der neuen Zeit. Seine Parfümidee fiel in ein Zeitalter, in dem man sich in Europa aus guten Gründen vor Wasser fürchtete.
Noch waren die Schrecken der Pestwellen präsent, waren die Badehäuser des Mittelalters nicht vergessen, wo sich die Krankheiten rasend schnell verbreitet hatten. Dass man aus den schlechten hygienischen Bedingungen die falschen Schlüsse gezogen hatte und das Waschen möglichst ganz bleiben ließ, das war zumindest ein Glück für die Parfümeure. Parfüms sollten alle menschlichen Ausdünstungen überdecken. Düfte bekämpften angeblich Krankheiten aus der Luft.
Als Farina das Kölnisch Wasser erfand, hatten Europas Blaublütler die gewohnten schweren Moschus-, Sandelholz- und Zimtparfüms längst satt. Farina brachte Lust auf Leichtigkeit und südländisches Flair in die Gewohnheiten. Mit einem Bergamotte-Duft. Napoleon soll eine große Flasche Eau de Cologne täglich verbraucht haben. Die Lieferlisten Farinas sind imponierend. Ob Europa oder Übersee – alle, die es sich leisten konnten, wollten das Wässerchen haben. Aber auch Bill Clinton soll es lieben.
Immer noch ist die Firma im Familienbesitz und stellt den charakteristischen Duft her. Und immer noch hat Farina seinen Firmensitz am historischen Ort in Köln gegenüber dem alten Rathaus. Auf drei Etagen ist dort alles zu erfahren, was die Kölner Parfümherstellung so populär machte. Mit einem leichten italienischen Akzent führt die Stimme des Erzählers auf der Audiodisk durch die Räume des Duftmuseums und erzählt die Geschichte des Parfüms aus Köln. Auch was es mit dem Konkurrenten von „4711“, nicht weit weg von Farina, nämlich in der Kölner Glockengasse, auf sich hatte. In diesem Kapitel der Geschichte geht es um Plagiate, Prozesse und den Kampf um ein Markenschutzgesetz (es trat 1875 in Kraft). Kölnisch Wasser ist heute ein Gattungsbegriff für frische Duftwässer. Dieser Markenbegriff verband sich in späteren Jahren allerdings immer mehr mit dem erst 100 Jahre später erfundenen „4711“ aus der Glockengasse. Die Geschichte des Unternehmens fasziniert Historiker.
Das Farina-Archiv ist das größte und vollständigste europäische Handelshausarchiv. Es dokumentiert im Original alle Einkäufe, Verkäufe, Briefwechsel, Produktion, Streitigkeiten, Immobilien der 300-jährigen Firmengeschichte. Das Familienarchiv reicht sogar ins 13. Jahrhundert zurück. Die Dokumente lagern im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv (Köln).
Im Duftmuseum geht es vor allem um eines: um den einen entscheidenden Farina-Duft in dem Flakon mit der roten Tulpe. Ein Ruhepol im schnellen Geschäft der wechselnden Düfte und Moden. Ein Ort der Konzentration. Angenehm duftend.
Farina-Haus, Obenmarspforten 21, 50667 Köln, Tel. (02 21) 3 99 89 94, Mo.–Sa. 10–18 Uhr, Sonntag 11–16 Uhr, Eintritt 4 €, www.farinahaus.de und www.eau-de-cologne.com
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