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Kammer angeblich unsolide

FINANZEN Kritiker werfen der Handwerker-Standesvertretung intransparente Geschäftsführung vor. Die Kritiker könnten keine Bilanzen lesen, kontert die

Die Handwerkskammer

Sie ist formaljuristisch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts – und eine Selbstverwaltungsorganisation des Handwerks für das Handwerk.

■ Die Kammer vertritt etwa 15.000 kleine und mittlere Betriebe mit fast 130.000 Beschäftigten.

■ Die Mitgliedschaft der Betriebe ist Pflicht.

■ Oberstes Gremium ist die Vollversammlung. Sie wird alle fünf Jahre neu gewählt.

■ Der Vorstand besteht aus einem Präsidenten, zwei Vize-Präsidenten und drei Beisitzern.

Solide scheint das nicht zu sein, was in der Chefetage der Hamburger Handwerkskammer so vor sich geht. Da werde „beschönigt und vertuscht“, behauptet Kai Boeddinghaus, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für freie Kammern. Die Hamburger Kammer, in der alle Handwerksbetriebe der Hansestadt Mitglied sein müssen, habe entgegen allen offiziellen Beteuerungen „ein negatives Eigenkapital und einen riesigen Schuldenberg“, rechnete Boeddinghaus am Dienstag Journalisten vor.

Nach seiner Darstellung weist die noch unveröffentlichte Gewinn- und Verlustrechnung der Kammer für das Jahr 2010 einen Fehlbetrag von rund 713.000 Euro aus. Kammerpräsident Josef Katzer hingegen hatte in Zeitungsinterviews behauptet, „die Kammer schreibt operativ schwarze Zahlen“. Zudem hatte der Präses eingeräumt, dass die Kammer Verbindlichkeiten in Höhe von 16 Millionen Euro habe. Aus der Bilanz gehe jedoch hervor, sagt Boeddinghaus, dass die wahre Schuldensumme bei knapp 24 Millionen Euro liegt: „Das sind 50 Prozent mehr – das sollte einem auffallen.“ Auch sei Katzers Darstellung falsch, dass die laufenden Kosten der Kammer im vorigen Jahr um 1,7 Millionen Euro gesenkt worden seien. Tatsächlich seien sie um etwa 465.000 Euro gestiegen.

Boeddinghaus hatte zusammen mit dem Kammer-Mitglied Christian Anhalt, Inhaber eines Foto-Studios in der Altstadt, Einblick in die Unterlagen erhalten. Sein Fazit lautet, dass die Kammer-Führung „nicht offen und ehrlich“ arbeite. Es sei eine grundlegende Sanierung erforderlich. Diese sei aber mit den derzeit Verantwortlichen nicht glaubwürdig umsetzbar.

Anhalt kritisiert zudem das „intransparente Beitragsverfahren“. Zuletzt 2010 habe die Kammer die Pflichtbeiträge um 25 Prozent erhöht. Jetzt lägen sie um das Fünf- bis Sechsfache über den Beiträgen, die Mitglieder der Hamburger Handelskammer zu entrichten hätten. „Und die“, sagt Boeddinghaus, „hat Rücklagen, die Handwerkskammer aber ist fast pleite.“

Frank Glücklich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, weist die Vorwürfe „scharf“ zurück. Die genannte Schuldensumme bestehe zum größten Teil aus Hypotheken von fast 21 Millionen Euro für das Projekt Elbcampus, das wiederum einen Sachwert von mehr als 60 Millionen Euro habe: „Das ist grundsolide finanziert“, sagt Glücklich. Die Vorwürfe könne nur jemand erheben, „der Bilanzen entweder nicht verstehen kann oder will“. SVEN-MICHAEL VEIT

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