: Seine Welt auf einer Scheibe
ZWEITES STANDBEIN Er ist einer der beliebtesten Kommissare der TV-Serie „Tatort“: Nun hat sich der Schauspieler Axel Prahl einen Traum erfüllt und zusammen mit einer Band das Album „Blick aufs Mehr“ aufgenommen
VON THOMAS WINKLER
Er hatte einen Traum. Einen Traum, den viele träumen. Einen Traum allerdings, dem man ihm nicht unbedingt zugetraut hatte. Denn Axel Prahl hat sich bereits ein paar Träume erfüllt, die viele träumen. Er hat auf den besten Bühnen dieses Landes gestanden, er hat in ein paar sehr guten Filmen mitgespielt, er hat Preise gewonnen, und nicht zuletzt ist er einer der beliebtesten Kommissare, die die „Tatort“-Reihe hervorgebracht hat. Erst jetzt aber, im reifen Alter von 51 Jahren, hat sich Prahl den einen Traum erfüllt, den er schon sehr lange träumt: Er hat eine Platte gemacht.
Auf Lehramt studiert
Prahl sagt: „Eine Scheibe.“ Daran mag man erkennen, wie alt dieser Traum schon ist, der nun zu „Blick aufs Mehr“ geführt hat, dem Debütalbum des Schauspielers. Er war, erzählt er, noch ein Teenager und lebte im hohen Norden an der Küste, als er Musik machte und schon in Bands spielte. Später hat er in Kiel sogar Musik studiert, auf Lehramt zwar und mit Mathematik zusammen, aber immerhin. Dann aber kam die Schauspielerei dazwischen, die ersten Engagements, der Umzug nach Berlin. Es kam der Erfolg, und die Musik verkümmerte zum „persönlichen Rückzugsgebiet“. Prahl wollte nun nicht noch ein Schauspieler mehr sein, der auch singt.
Dass Prahl nicht in dieses Schema passt, dass er schon Musiker war, bevor er Schauspieler wurde, dass er sich einmal sogar eine Spanienreise mit der Straßenmusik finanziert hat, das kann man nun aber hören: Denn „Blick aufs Mehr“ ist eine Platte geworden, die so gar nichts gemein hat mit den üblichen Singende-Schauspieler-Platten. Denn weder singt Prahl Songs, die ihm versierte Autoren auf den Leib geschrieben haben, noch singt er alte Hits aus seiner Jugend wie sein „Tatort“-Kollege Jan Josef Liefers, der zwar auch eine Vergangenheit in beiden Professionen vorzuweisen hat, aber mit Ostrockklassikern auf Tour ging.
Anders bei Prahl. Der singt, darauf legt er Wert, nur selbst Verfasstes. Songs, die in den vergangenen Jahren entstanden waren, wenn auch meist als Stückwerk. „Endlich genötigt zu sein, alle Fragmente, die sich im Laufe meines Lebens angesammelt hatten, zu Ende zu denken“, erzählt Prahl, das sei ein schöner Nebeneffekt der Aufnahmen gewesen. So stehen nun relativ neue Lieder, in denen Prahl die noch nicht allzu lang zurückliegende Trennung von seiner Frau verarbeitet, neben Stücken, die von der Sehnsucht nach dem Meer handeln, die ihn schon sehr lange nicht loslässt.
Vor allem aber kann man „Blick aufs Mehr“ anhören, dass sich hier jemand schon eine ganze Weile ziemlich intensiv mit Musik beschäftigt. Denn das Album hört sich nicht an wie ein Debüt: Prahl hat seine Lieder nicht eben mal schnell und spartanisch mit Akustikgitarre aufgenommen, und er hat sich auch nicht von einer marktorientiert denkenden Plattenfirma einen möglichst konsensfährigen 08/15-Poprock-Matsch designen lassen.
Nein, den Klang von „Blick aufs Mehr“, den hatte er schon vorher ziemlich genau so im Kopf, sagt Prahl. Um diese Vorstellungen umzusetzen, hat er sich Danny Dziuk anvertraut, der selbst unter dem Namen Dziuks Küche schon ein paar großartige Alben mit deutschen Großstadtchansons herausgebracht hat. Und dann hat Prahl noch das Filmorchester Babelsberg überzeugt, seine trockenen Balladen und knurrigen Sauflieder mit wundervoll satten Arrangements auszustatten.
Tatsächlich hat man solche Musik von einem Schauspieler noch nicht gehört. Denn Prahl, der sich nicht als Sänger sehen mag, sondern mit einer gewissen Koketterie als „Sängerarbeiter“ bezeichnet, gelingt es immer wieder, die überlebensgroße Geste, zu der sich die Musik gern mal aufplustert, mit einem müden Lächeln, das sich durch seinen zurückgenommenen Gesang zieht, wieder aufs menschliche Maß zurückzustutzen.
Zu viel Mediengetöse
Mit der Außenwirkung gelingt ihm das lange nicht so gut. Das ganze Mediengetöse, das sei ihm schon lange wieder zu viel, sagt Prahl, kaum dass er sich in dem Café in der Greifswalder Straße niedergelassen hat, das er als Treffpunkt vorgeschlagen hat. Fast entschuldigt er sich dafür, dass andere so viel Interesse an ihm zeigen. Er wollte doch wirklich nur diese „Scheibe“ mit seinem Namen und seinem Gesicht drauf einmal in der Hand gehalten haben.
Man darf das dem demonstrativ unprätentiösen Prahl durchaus glauben. Auch, als er erzählt, dass ihm noch heute der Angstschweiß ausbricht, wenn er auf einen roten Teppich muss oder auf eine Bühne, um sich eine Auszeichnung abzuholen. Wie „ein kleiner Karpfen“ fühle er sich da oben, der „in ein Haifischbecken starrt“. Nun wird Axel Prahl herausfinden, ob die Musikbranche von weniger gefährlichen Fischen bevölkert wird als Film und Fernsehen. Ob der Traum, den er sich so spät noch erfüllt hat, womöglich doch zu einem Albtraum wird.
■ Axel Prahl & Das Inselorchester, „Blick aufs Mehr“ (Buschfunk). Live: 18. 1. „Nicolaisaal“ Potsdam, 20. 1. UdK Berlin
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