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Dicke Luft beim „Weser Kurier“

Der Haussegen hängt schief im Bremer Verlagshaus „Weser Kurier“. Gestern war wieder einmal Termin vor dem Arbeitsgericht, weil die Verlagsspitze gegenüber dem Betriebsrat grundlegende Mitbestimmungsrechte ignoriert hat

Betriebsrat und Geschäftsführung des Bremer Lokalblattes Weser Kurier trafen sich gestern mal wieder vor dem Arbeitsgericht. „Ich weiß, es gibt immer wieder Einstweilige-Verfügungs-Verfahren“, sagte die Richterin, und deutete damit an, dass sie um das zerrüttete Vertrauensverhältnis zwischen Leitung und Personalvertretern des Zeitungshauses weiß. Mit Nachdruck forderte sie die Beteiligten auf, sich auf einen Vergleich zu einigen.

Thema des gestrigen Streits: Die Geschäftsführung des Weser Kuriers wollte nicht nur dem Betriebsrat seinen Besprechungsraum schlicht nehmen und seine Büroräume in eine entlegene Ecke des Verlagshauses verlegen, die bisher vom Betriebsrat nicht besichtigt werden durfte. Zudem ist ein kräftiger Umbau im Gange, über dessen konkrete Planungen der Betriebsrat nicht informiert wurde.

„Darauf hat der Betriebsrat selbstverständlich ein Recht nach dem Mitbestimmungsgesetz“, sagte die Richterin. Einen Kompromissvorschlag der Anwältin des Verlags, man könne die Pläne „so weit welche vorhanden sind“ dem Betriebsrat zur Verfügung stellen, wollte der nicht annehmen. Denn Verlagschef Ulrich Hackmack sagte auf Nachfrage, er wisse nicht, ob es auch Raumpläne gibt, aus denen hervorgeht, an welcher Stelle für welche Mitarbeiter Schreibtische und Schränke stehen sollen.

Der Betriebsrat soll alle Pläne bekommen, und bis zum 31. 1. 2008 muss er auch nicht umziehen, das war das Ergebnis des Vergleichs. Grund des Umbaus ist nach Angaben des Betriebsrates, dass die gesamte Anzeigenabteilung zum 1. 1. 2008 ausgegliedert werden soll. Der Sinn der Ausgliederung kommt in einem neuen Arbeitsvertrag zum Ausdruck, der den rund 60 betroffenen MitarbeiterInnen angeboten wurde: Statt 35 Stunden sollen sie 40 Stunden arbeiten, die neue Firma „MVB“ ist an keine Tarifverträge gebunden und der traditionell starke Betriebsrat des Weser Kurier kann die Kollegen in der Fremdfirma nicht mehr vertreten. Dieser neue Arbeitsvertrags-Entwurf, so steht es in dem Anschreiben, „darf nicht an Dritte weitergegeben werden“.

Bisher hat niemand den neuen Vertrag unterschrieben. Es sieht also derzeit danach aus, dass der Betriebsübergang nach den gesetzlichen Bestimmungen stattfinden wird, insbesondere haben dann alle Beschäftigten ein Jahr lang Bestandsschutz.

Seit Wochen versucht der Betriebsrat, die Öffentlichkeit gegen die Pläne des Verlegers zu mobilisieren. Da im eigenen Blatt darüber nicht berichtet wird, hat der Betriebsrat eine Anzeige im schlimmsten Feind des Weser Kurier, dem Anzeigenblatt Weser Report, geschaltet. Darin werden die Leser über den Streit informiert und aufgefordert, Leserbriefe zu schreiben. Am kommenden Samstag wird vor dem Verlagsgebäude in der Bremer Martinistraße wieder zwischen 10 und 13 Uhr eine Mahnwache stattfinden. Um 12 Uhr sollen Luftballons mit Protestkarten in den Himmel steigen. KLAUS WOLSCHNER

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