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Bewusst vergänglich

LETZTE DINGE II Das freie Theatermacherduo „Die Azubis“ bastelt in seinem Stück „Nachlass“ aus den Hinterlassenschaften Verstorbener ein buntes Theatermosaik rund um die Präsenz des Todes im Leben

Lange ist nicht klar, um was für Gegenstände es sich überhaupt handelt. Aus einem großen Karton kramen Christopher Weiß und Kai Fischer vom Hamburger Theatermacherduo „Die Azubis“ allerlei Dinge heraus: ein Fotoalbum, einen Schlüssel, eine Schnapsflasche. Schweigend schauen sie sich Fotos an, dann beginnen sie, die Dinge auf Podeste zu stellen, wie in einem Museum.

Es sind Gegenstände aus Nachlässen, Hinterlassenschaften Verstorbener, die Weiß und Fischer für ihr Stück „Nachlass“ zusammengesammelt haben. Im Hamburger Lichthof-Theater basteln sie daraus ein „Theatermosaik“, das die hinterlassenen Dinge und die Geschichten dahinter miteinander verknüpft.

In vielen kleinen Szenen, mit Objekt- und Puppenspiel, Schatten- und Erzähltheater werden Hüte oder Spieluhren zum Leben erweckt, zum Sprechen gebracht, um sie herum Geschichten gesponnen. Was lässt sich aus den Gegenständen über die Gestorbenen herausfinden, welchen biografischen Gehalt haben ihre Hinterlassenschaften? Was bedeuten all diese Dinge für uns und welche Verbindung haben sie zur verstorbenen Person?

Spielerisch und zugleich dokumentarisch werden sie so Assoziationsspielräume eröffnen, die das Thema Tod und Leben aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und existenzielle Fragen stellen: Haben wir ein Bewusstsein von unserer Vergänglichkeit? Wie wichtig ist es, Spuren zu hinterlassen? Und ist das Bewusstsein, das wir Lebenden darüber haben, eine Chance oder doch eher ein Fluch?

Auch von ihren eigenen Erfahrungen und Erlebnissen mit dem Sterben und dem Tod, mit den Spuren, die das Verschwindende im Bleibenden hinterlässt, erzählen Weiß und Fischer: von den eigenen Großeltern oder jenem verstorbenen Verwandten, der auf seiner Facebook-Seite irgendwie virtuell weiterzuleben scheint – immer noch wird ihm dort zwischen Trauerbekundungen zum Geburtstag gratuliert.

Am Ende werden die Zuschauer aufgefordert, selbst ein Testament zu verfassen und ihr Erbe zu regeln: Kann ich mich zum Nachlassverwalter des eigenen Lebens machen und darüber entscheiden, was einmal von mir bleiben soll und wem es gehört? Und Regisseur sein im Spiel meiner Hinterlassenschaften?  MATT

■ Sa, 28. 3., 19 Uhr, Hamburg, Lichthof-Theater

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