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Der ewige Partisan

Was ist Journalismus? Das Einfache, das schwer zu machen ist: Bis zuletzt ist Giorgio Bocca dieser Brecht’schen Maxime gefolgt. Er hat klug und mitfühlend aufgeschrieben, was in der Welt, was in Italien vor sich geht, er wurde nicht müde, sauberes Handwerk einzufordern – und er hat sich nicht kaufen lassen. Dass er damit auch noch Erfolg hatte, ja bis zu seinem Tod mit 91 Jahren am zweiten Weihnachtsfeiertag einer der einflussreichsten Journalisten Italien geblieben ist, kann durchaus als Vorbild dienen.

Die Schule, die Bocca durchlief, war allerdings auch hart. Geboren 1920 in Cuneo als Lehrerssohn, schien alles auf eine klassische Laufbahn des guten piemontesischen Bürgertums hinauszulaufen. Der gut aussehende und sportliche junge Mann studierte Jura, wurde Mitglied der Hochschulgruppe der faschistischen Partei und schrieb auch durchaus begeistert für die Zeitungen des Regimes. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er als Offiziersanwärter. Dann kam der Waffenstillstand vom 8. September 1943. Die italienische Armee löste sich auf, die Deutschen marschierten ein, den Ex-Alliierten zu strafen. Bocca ging als Partisan in die Berge: Wie für viele seiner – Nachkriegs-Italien dann entscheidend prägenden – Generation das wichtigste Ereignis ihres Lebens, das Spiel auf Leben und Tod, die „großen Ferien in den Bergen“ in einem Kampf, in dem man doch hoffnungslos unterlegen war.

Aber eben auf der richtigen Seite der Geschichte: Mit Bocca geht einer der letzten jener italienischen Großintellektuellen, die einen nerven konnten mit ihrem ständigen Rückgriff auf eine bei den meisten tatsächlich recht kurzen Zeit im Widerstand, auf die man aber auch neidisch war; und denen man sofort beisprang, wenn sie von denjenigen angepöbelt wurden, die ihre Berufsehre an Berlusconi verkauft hatten. Für dessen TV-Sender arbeitete auch Bocca in den 1980er Jahren – und näherte sich als einer der Ersten dem Phänomen „Lega Nord“ journalistisch an. Bocca hatte eine Haltung, die ihn aber nicht vor Neugierde und Projektlust feite. So gehörte er 1976 zu den Mitbegründern der heute zweitgrößten italienischen Tageszeitung La Repubblica. AMBROS WAIBEL

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