piwik no script img

■ Rosi Rolands Bremer GeschichtenDie Frischbier-Affäre

Eine Gastwirtschaft in allerbester Bremer Lage, der Blick schweift aus lichter Höhe über den Marktplatz, Rathaus, Schütting. Ein frisch gezapftes Beck–s wartet auf den Verzehr. Und das dollste: Das Bier kostet läppische zwei Mark. Gibts nicht, sagen Sie. Gibt–s wohl! Aber ehe sich die halbe Stadt auf die Beine macht – besagte Gastwirtschaft öffnet nur an drei Tagen im Monat ihre Pforten. Leiderleider, gerade ist die Oktober-Öffnungszeit vorbei. Und sowieso ist diese Kneipe nur für ausgewähltes Publikum geöffnet: Die Rede ist von der bremischen Bürgerschaft. Die schickt sich nämlich an, ihr gastronomisches Angebot zu revolutionieren. Erlebnisgastronomie der ganz besonders exklusiven Art, drei Tage im Monat, länger dauern die Sitzungen nicht – mit einer Bier-Zapfanlage. Die Opposition macht's möglich. Der Abgeordnete Ludwig Hettling, der für die AfB (Arbeit für Bremen und Bremerhaven) im Vorstand des Parlamentes sitzt, gilt als großer Gersten-Gourmet. Lange und ausgiebig hatte er sich darüber geärgert, daß es bei offiziellen Empfängen immer nur Wein zur Feier des Tages gab. Und wenn mal Bier gereicht wurde, dann aus der Flasche. Eben auch während der Parlamentssitzungen. Ein Graus für den vierschrötigen Ex-Sozialdemokraten. Da tröstete es auch nicht, daß die Flasch im Parlament nur 90 Pfennige kostet. Selbstkostenpreis – wie bei allen anderen Getränken und parlamentarischen Gaumenkitzlern.

Hettling wurde aktiv: Eine Zapfanlage müsse her, schlug er im Präsidium vor. Denn erstens schmeckt frisch gezapftes Bier sowieso besser, und zweitens – hatte Hettling bei seinem Segelverein beobachtet – kann so der Umsatz gesteigert werden. Es wird halt mehr getrunken. Das Parlaments-Präsidium ließ sich überzeugen, und so kam es, daß nun eine Zapfanlage hinter dem Tresen in der Lobby steht. Auf Probe und umsonst, vorerst. In den nächsten beiden Monaten soll der Zuspruch der Abgeordneten zum Alkohol getestet werden. Wenn der ausreichend ist, dann soll der Zapfhahn seinen dauerhaften Platz im hohen Haus haben. Kostenpunkt: zwischen drei und dreieinhalbtausend Mark. Was für reichlich Ärger in der Bürgerschaftsverwaltung sorgt, die von der diversen Sparrunden reichlich gebeutelt worden ist: „Für sowas hamse Geld!“

Die Reaktion der Abgeordneten war bei den ersten drei Test-Tagen eher verhalten. Zwar wurde nun gar kein Flaschenbier mehr verkauft, sagt eine Tresenkraft. Aber mehr getrunken würde auch nicht. 25 Flaschen hatten sich die 100 VolksvertreterInnen pro durchschnittlichem Sitzungstag gegönnt, die aber, versichern alle Beteiligten, zum größten Teil nach Feierabend. Ob diese Menge nun für die Anschaffung der Zapfanlage ausreicht, dazu mochte sich noch niemand äußern, am allerwenigsten Parlamentspräsident Reinhard Metz (CDU). Am Happy-Hour-Preis von zwei Mark pro Glas, so war zu hören, solle sich aber nichts ändern. Und darüber freut sich sogar

Ihre Rosi Roland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen