: So gar nicht Andys Style
■ Eine biografische Bildrevue im Schwulen Museum ehrt William S. Burroughs, den Gründervater der Beat generation
Für Mary McCarthy war er der erste seriöse Science-fiction-Autor, für Anthony Burgess der originärste Schriftsteller seit Joyce, für Jack Kerouac der größte Satiriker seit Jonathan Swift. John Updike hingegen hält die Bücher von William S. Burroughs einfach nur für „mörderischen Mumpitz“.
Auf seine Art ist Burroughs, nach Ginsbergs Tod vergangene Woche einer der letzen Überlebenden der Beat generation, immer ein polarisierender Außenseiter und Einzelgänger geblieben, allerdings auch ein ganz erfolgreicher. Seine Lesetourneen seit den späten siebziger Jahren, erst in den USA, dann in Europa und schließlich weltweit, hatten den Charakter von Popkonzerten. Eine Ikone des Wild Life spricht, und eine tausendköpfige Zuschauerschaft lauscht dem unnachahmlichen Brummeln des Meisters.
Zu verdanken war dieser späte finanzielle Erfolg seinem gerade mal 21 Jahre jungen Lebensgefährten James Grauerholz. Auf einem Foto sitzen sie artig auf dem Sofa, Burroughs mit Kognakschwenker, Grauerholz lässig mit seinen Lucky Strikes. Das Liebespaar kann man da auf keinen Fall erkennen, den Künstler und seinen Manager aber ebensowenig. Grauerholz nämlich brachte nicht nur in kürzester Zeit Burroughs' Archiv in Ordnung, sondern machte aus dem einsam vor sich hin schreibenden Altmeister einen teuren Lese- Entertainer. Um die 1.000 Dollar mußte den Veranstaltern ein Abend mit ihm schon wert sein.
Die von Michael Köhler konzipierte Ausstellung „Call me Burroughs“ nennt sich „biografische Bildrevue“ im Untertitel und verfolgt chronologisch den Lebensweg des Autors von „Naked Lunch“ und „Junkie“. Ein Leben auf Achse: Mexico City, Paris, London und Tanger. Dort traf man sich in den fünfziger Jahren, um sich problemlos schwulem Sex und diversen Drogen hingeben zu können und nebenbei auch mit der Literatur zu experimentieren. So exzessiv das Leben der Herren Ginsberg, Burroughs, Bowles und Kerouac in diesen Jahren auch gewesen sein mag, die Gruppenbilder sind allesamt so brav und ordentlich wie die von Hochzeits- und Kommunionfeiern.
Überhaupt wollen die kruden literarischen Phantasien, (homo)sexuellen Exzesse und die rebellischen Töne des W.S. Burroughs so gar nicht mit seinem äußeren Erscheinungsbild zusammenzupassen. Daß ihn sein Lover Allen Ginsberg 1953 mal mit nacktem Oberkörper lässig sitzend fotografieren konnte, scheint eine Ausnahme zu sein. Auch der Schnappschuß beim Herumalbern mit Jack Kerouac. Ansonsten ist Burroughs eher der seriöse Typ. Seine Brotberufe als Privatdetektiv, Insektenvernichter und Reklameverkäufer nimmt man ihm ab. Immer korrekt gekleidet, Jackett und Krawatte, meist auch noch seinen typischen Hut auf dem Kopf. Der Blick immer mißmutig, genervt. Lächeln fällt ihm offenbar schwer.
Die spannendsten Momente dieser Ausstellung sind die in kleinen Details versteckten Geschichten. Ein Zeitungsausschnitt aus der New York Daily News. Schlagzeile: „Heir's Pistol Kill His Wife, He Denies Playing Wm. Tell“. 1951 hatte Burroughs bei einer Party mit seiner Ehefrau ein bißchen Wilhelm Tell gespielt. Aber statt des Whiskyglases traf er ihren Kopf. Gleich gegenüber hängt eine farbige Werbeanzeige aus dem Jahr 1929. Präsentiert wird hier eine „Typewriting-Billing-Machine“, „The only machine that writes a complete invoice in one operation“. Burroughs' Großvater war Erfinder der Addiermaschine und eine Zeitlang auch ziemlich erfolgreich damit. Seinen Erbteil haute William mit seinen diversen Reisen auf den Kopf.
Wenig erfreut stochert Andy Warhol in seinem Teller herum, gemeinsam mit Mick Jagger zu Besuch im fensterlosen „Bunker“- Apartment von Burroughs in der schäbigen Lower East Side. Die primitive Abendtafel war offensichtlich nicht Andys Style. Nicht nur in dieser Hinsicht war Burroughs für den stets geschäftstüchtigen Warhol eine Pleite: Wie so viele hatte er auch den Schriftsteller zu einem Siebdruck-Porträt beschwatzen wollen, aber die 20.000 Dollar, die man dafür bezahlen mußte, waren bei Burroughs beim besten Willen nicht zu holen. Axel Schock
Bis zum 1.6., Mi.–So. 14–18 Uhr, im Schwulen Museum, Mehringdamm 61
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