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„Damals etwas Neues gemacht“

■ Im Interview: Der Architekt Rainer Goes, der vor 25 Jahren als Projektleiter die Siedlung Mümmelmannsberg konzipierte

taz: Sie haben ein Jahrzehnt Ihres beruflichen Schaffens der Planung und Realisierung einer Großwohnsiedlung gewidmet, die bis heute als „Wohn-Ghetto“und „sozialer Brennpunkt“in Verruf geraten ist. Wie geht es Ihnen damit?

Rainer Goes: Es klingt vielleicht selbstgefällig, aber wir waren damals alle – Planer und Architekten – überzeugt von Mümmelmannsberg. Rein städtebaulich kann sich diese Siedlung auch heute sehen lassen. Frustrierend war, daß das öffentliche Image bereits beim Erstbezug negativ war. Für uns Planer war das ein Schock.

Wir dachten, wir haben etwas Neues gemacht, haben uns vom Traditionellen verabschiedet. Ich will die vielen sozialen Probleme nicht leugnen. Aber für die Architekten war das wirklich kränkend. Denn diese Probleme liegen ja nicht an der Art der Gebäude, sondern an der Zusammensetzung der Mieter.

Was war vor 25 Jahren so revolutionär an der Architektur?

Das Bestechende war vor allem die Niedriggeschossigkeit der Siedlung. Mümmelmannsberg ist ja fast zeitgleich mit Steilshoop entstanden, wo vorwiegend Hochhäuser stehen. Wir dagegen haben die meisten Häuser nur viergeschossig gebaut; das war in den 70er Jahren einmalig für eine Großwohnsiedlung. Es handelt sich um S-förmige Blocks mit interner Hofzone, die relativ ruhig sind und wo Kinder gut spielen können. Mit dem versetzten Straßensystem haben wir große Kreuzungen vermieden.

Welches städtebauliche Ziel hatten Sie vor Augen?

Neu an Mümmelmannsberg war, daß die Wohngebäude wieder zur Straße hingewandt gebaut wurden, und nicht mehr wie zuvor im Zeilenbau ohne Bezug zur Straße. Wir wollten damit die Rückkehr zum städtischen Wohnen erreichen. Mümmelmannsberg sollte keine Kleinstadt, sondern Teil einer Großstadt werden.

Genau das aber ist nicht gelungen, wird Ihnen heute vorgeworfen. Die Gebäude sind monoton, der geplante Ortskern liegt brach.

Wir standen vor dem Zwang, 7.000 Wohnungen bauen zu müssen, binnen zehn Jahren und zu den Bedingungen des sozialen Wohnungsbaus. Da gilt schon mal das Gesetz der Serie, da mußten eben einige Fassaden gleich sein, da mußte teils auch in Montagebauweise hochgezogen werden.

Sie meinen die Wohnsilos an der Max-Pechstein-Straße, die im Viertel auch gern als Chinesische Mauer bezeichnet wird?

Diese Straße ist verunglückt, da gibt es nichts zu beschönigen. Natürlich hätte man den geschlossenen Gebäuderiegel auf Stelzen stellen oder ihn anders luftiger machen können, aber die Baufirmen hatten ja auch preisliche Vorgaben.

Und für Stadtteil-Treffs und soziale Einrichtungen war kein Geld mehr übrig?

Es gibt kein Kino, kein Schwimmbad. Das ist schade. Auch das Einkaufszentrum funktioniert nicht. Warum, darüber kann man philosophieren. Ich glaube, daß es eine Utopie ist zu glauben, eine Stadt würde von sich aus wachsen. Die Menschen müssen erst in zwei bis drei Generationen in die Siedlung hineinwachsen, bis sie funktioniert.

Gibt es etwas, was Sie heute anders machen würden?

Künstliche Siedlungen von der Größe Mümmelmannsbergs werden in Hamburg als einzelne Großmaßnahme wohl nicht mehr gebaut werden.

Was ist mit Neu-Allermöhe und Neugraben-Fischbek?

Die sind höchstens halb so groß wie Mümmelmannsberg und auch von der Architektur her nicht vergleichbar. Man müßte aber auch hier den Anteil an sozialem und frei finanziertem Wohnungsbau ausgewogener halten. Nur so kriegt man eine vernünftige Mieterstruktur hin. Wenn nur Familien mit Kindern und geringem Einkommen in die Siedlung ziehen, gibt es eben keine normale Mischung.

Fragen: Heike Haarhoff

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