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Ein Ökoschiff entert die Stadtautobahn

Ökologisches Bauen ist bei Bürohäusern noch nicht die Regel. Eine Ausnahme bildet das Gebäude der Architekten Léon und Wohlhage am Kronprinzendamm: Seine „intelligente“ Fassade macht künstliche Klimatisierung überflüssig  ■ Von Ole Schulz

Wie ein schnittiges Schiff, bereit die Straße zu entern, schwebt der Glasbau über dem tosenden Verkehr. Ganze sechs Meter ragt die Rundung des Bürohauses in die Stadtautobahn hinein. Hier, direkt am westlichen Ende des Ku'damms, ist einer der Verkehrsknotenpunkte Berlins. Auf der zehnspurigen Autobahn brausen bis zu 10.000 Blechkarossen in der Stunde vorbei. Die geballte PS- Kraft kann man am eigenen Körper spüren, wenn man auf der schmalen Brücke steht, die vom Bürohaus herüber zum Halensee führt: Die kreischenden Motoren lassen den Fußgängerübergang so stark und ruckartig schwingen, daß man immer wieder kurz mit den Füßen vom Boden abhebt.

An diesem unwirtlichen Ort, der als Restfläche der autogerechten Planung der 60er Jahre unbebaut geblieben war, ein Bürohaus zu errichten, war kein leichtes Unterfangen. Nach dem im Wettbewerb 1990 prämierten Entwurf von Hilde Léon und Konrad Wohlhage wurde schließlich in sechs Jahren ein linsenförmiger Glasbau hochgezogen. Sein auf beiden Seiten ungleich gekrümmter und sieben Etagen hoher Hauptkörper schwebt nun frei auf Betonsäulen. Um den Bewohnern der Gründerzeit-Bauten hinter dem Bürogebäude den Blick zum Horizont weitgehend frei zu halten, wurde der Bau am äußersten Rande des Grundstücks plaziert. Den Anwohnern sei eine Verdichtung nur durch kompensatorische Verbesserungen im Wohnumfeld zuzumuten gewesen, sagt Wohlhage. Dazu zählen ein kleiner hügliger Park und Tiefgaragenplätze.

Mehr noch als durch die eigenwillige Form will der Bau durch eine innovative Klimatechnik überzeugen: Die Südseite des Gebäudes wird von einer doppelschaligen Glasfassade umspannt. Die gläserne Doppelhaut schützt nicht nur vor dem Verkehrslärm und Abgasen, sondern dient vor allem auch als Wärmepuffer und läßt eine natürliche Belüftung des Gebäudes zu – damit wird eine künstliche Klimatisierung überflüssig. Selbst bei diffuser Sonnenstrahlung wärme sich die Pufferzone schnell auf, sagt Wohlhage, „geheizt werden muß erst ab etwa 0 Grad“. Wieviel Energie tatsächlich eingespart werde, lasse sich aber frühestens in zwei Jahren sagen.

Direkt hinter der äußeren Glashaut liegt ein computergesteuerter Sonnenschutz, der auch individuell verstellbar ist. Einen Meter weiter innen folgt eine zweite Wand aus gläsernen Schiebetüren. Je nach Wetterlage können die Türen geöffnet werden, um frische Luft vom Dach in das Gebäudeinnere strömen zu lassen.

Obwohl schon lange bekannt ist, daß vollklimatisierte Arbeitsplätze ungesund sind (sick building syndrom) und unnötig viel Energie verschwenden, gehören Klimaanlagen zur Standardausstattung „moderner“ Bürogebäude. Die Bebauung des Potsdamer Platzes zum Beispiel macht hier keine Ausnahme. Die „mächtigen Felsenburgen“, die kaum einen Sonnenstrahl in die Innenhöfe ließen, würden nicht nur das Mikroklima der Umgebung beeinträchtigen, kritisiert Hartwig Berger, der umweltpolitische Sprecher der Grünenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. „Unheimlich bedenklich“ sei gerade auch das für die Klimaanlagen benötigte Kühlmittel R 134: Die Treibhauswirkung dieses Klimakillers ist bis zu 4.500mal höher als die von Kohlendioxid.

Dennoch sind energieschonende Ansätze bei Bürohaus-Neubauten noch eine Seltenheit. Ein Beispiel, wie transparente Wärmedämmung an den Fassaden für ein energiesparendes Raumklima genutzt werden kann, ist das Gebäude der GSW-Hauptverwaltung in der Kochstraße. Seit 1995 wird der Bau der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft nach den Plänen des Büros Sauerbruch und Hutton für 130 Millionen Mark um- und neugebaut. Durch eine großzügige Verglasung und eine mechanische Belüftungsanlage, bei der die Abluft zur Wärmerückgewinnung genutzt wird, also fast nur mit passiven – architektonischen, nicht technischen – Mitteln, soll der Energieverbrauch um bis zu 40 Prozent gesenkt werden.

Solch intelligente Klima-„Technik“ kostet aber viel Geld. Auch die Glasfassade des 38 Millionen teuren Bürohauses am Halensee war nur deshalb finanzierbar, weil hier ohnehin ein kostspieliger Lärmschutz notwendig war. Für die Investoren würden sich bei den niedrigen Strompreisen die hohen Investitionen für „zukunftsweisende, aber noch nicht rentable Energiekonzepte“ nicht lohnen, sagt Wohlhage. Deshalb müsse man den Bauherren in solchen Fällen entgegenkommen, zum Beispiel eine höhere Ausnutzung der Grundstücke genehmigen, was wiederum das Einverständnis des Stadtplanungsamtes voraussetze.

Das Bürohaus von Léon und Wohlhage ist wohl ein gelungener architektonischer Wurf für einen städtebaulichen Sonderfall. Ob er „Modellcharakter für die Vedichtung der Stadt nach innen“ hat, wie Wohlhage hofft, ist fraglich. Denn den Preis für ökologisches Bauen zahlen viele Investoren nur bei ökonomischen Zugeständnissen.

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