Boxen ist keine Männerwelt

Ihren Boxstall hat sie in einer kleinen Berliner Fabrikhalle. Am Samstag stieg der zweite Kampfabend der einzigen europäischen Promoterin. Kohl und Sauerland fingen auch klein an, sagt Eva Rolle

von MARKUS VÖLKER

Gong. Ring frei zur ersten Runde. „Es gibt Kohl, den Großen. Es gibt Sauerland, den Großen. Und es gibt Eva Rolle, die Große.“ Die Kombination hat gesessen. Jedenfalls glaubt das die 45-jährige Präsidentin der International Fight Club Organisation (IFCO), Eva Rolle. Seit 14 Monaten besteht ihr Boxstall. In einer Fabrikhalle in Oberschöneweide wird trainiert. Sie ist die einzige Frau in Europa, die von der Europäischen Boxunion die Lizenz als Managerin und Veranstalterin erhalten hat. „Wir sind noch fürchterlich am Kämpfen, aber die“, gemeint sind die renommierten Gyms von Universum und Sauerland, „haben auch klein angefangen.“ Sie hat angekündigt, die Konkurrenz in Köln und Hamburg herauszufordern. „Ich kann nicht genau sagen, ob denen nun der Schweiß den Arsch runterläuft.“ Sie hofft es zumindest.

Was Rolle mit Sicherheit sagen kann: „Die Boxwelt ist keine Männerwelt.“ Nein? „Wenn sie eine wäre, dann habe ich sie aufgebrochen.“ Eine Mischung zwischen „Pitbull und Lady“ sei sie, heißt es von einem Mitarbeiter, sie führe eindeutig das Regiment. Wir haben verstanden: Boxen ist die Welt der Eva Rolle. Vielleicht sieht sie so aus wie die Erdkugel im IFCO-Wappen, das sich nicht an topografische Vorgaben hält, sondern eine Nachbildung des Urkontinents Gondwana zu sein scheint.

An der Wand des Gyms hängt ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Ich glaube eher an die Unschuld einer Hure als an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz.“ Zuletzt war Eva Rolle in Frankfurt am Main zugange. Dort sind einige Leute nicht gut auf sie zu sprechen. Zum Beispiel ihr Steuerberater, der erst durch einen Auftritt Rolles im Frühstücksfernsehen von Sat.1 erfuhr, dass sie sich mittlerweile in Berlin aufhält. Es gebe die „Privatperson“ und die „Präsidentin Eva Rolle“. Man möge sich an diesem Abend bitte auf Letzteres konzentrieren.

Sie trägt einen schwarzen Samt-Catsuit und opulentes Ohrgeschmeide. Rolle ist Gastgeberin der zweiten Kleinring-Veranstaltung ihres Stalles. Sie begrüßt am Samstag Christine Rocchigiani und Fernsehmoderatorin Dagmar Frederick als Ehrengäste. RTL-Schumiseur Kai Ebel ist auch dabei. Zwei Hell's Angels geben finstere Rausschmeißer ab. Eine Komödiantin fragt den Gast: „Mensch, für die Schuhe brauchst du ja einen Waffenschein!“ Er darauf: „Nö, ich hab schon einen für meine Fäuste.“ Soziologische Besonderheit des Publikums: Unter die Bussi-Bussis haben sich auffallend wenig schillernde Halbweltler gemischt.

Für einen „Botschafter“ sind zwei Stühle mit bester Sicht reserviert. Später wird sich ein Vertreter Ghanas darauf platzieren. Der Hauptkämpfer kommt von dort, Lee Manuel Osie (33) steht in der unabhängigen Weltrangliste auf Platz 32. Doch bevor der Boxprofi in den Ring klettert, steigen vier Vorkämpfe. Ungarn und Tschechen treten gegen Berliner an. Während die heimische Ecke den Eindruck erweckt, den Kampf gegen das Fettgewebe noch nicht aufgegeben zu haben, lappt in der roten fahrradschlauchdick der Wohlstandswulst über den Hosenbund. Ein Kämpfer aus Budapest plagt sich sogar mit dem dermatologischen Befund: Orangenhaut im Hüftbereich. Doch egal wie austrainiert die Fighter sind, es wird gehauen, bis die Nase blutet. „Am Ring bin ich immer fast am Implodieren“, sagt Eva Rolle.

Lee Manuel Osie gewinnt durch Aufgabe in Runde 5 gegen den Ungarn Laszlo Dolgos, der seinen ersten Profikampf bestritt. „Das war doch eine supersaubere, stilvolle Veranstaltung“, sagt Rolle danach und hofft, dass es Osie gegen Dariusz „Die lahme Katze“ Michalczewski bis zu einem WM-Kampf bringt. So käme wieder etwas Geld in die IFCO-Kasse, denn das Jugendprojekt „Doppeldeckung“ hat es bitter nötig. 40 Jugendliche werden ausgebildet, „kommen von der Straße weg und lernen bei uns Regeln“, wirbt Rolle. Die Kids sollten wissen, dass keiner mit „Londsdale-Klamotten“ reinkommt. Sie sollten auch wissen, dass Boxprofi zu werden, Antrieb, nicht Ziel sein sollte. Eines lernen sie in Rolles Gym schon in Runde eins: Selbstbewusstsein. „Zwei Dinge hatte ich in meinem Leben nie: Angst und Geld“, sagt Rolle – und dann noch: „Sie kennen doch den Highlander aus dem Film. Ich bin die Highlanderin des Boxens.“