: „Irgendwas Komisches“ im Busch
In Berne vergammelt eine schicke 60er-Jahre-Siedlung. Viele Wohnungen stehen seit Monaten leer. Mieter sorgen sich um die Bausubstanz. Vermieter antwortet nicht auf ihre Fragen. Bezirksversammlung schickt Verwaltung in die Spur
von GERNOT KNÖDLER
Auch ein 60er-Jahre-Plattenbau kann schick sein. Die Siedlung am Falkenburger Ring am U-Bahnhof Berne, in der Jochen Ohlwein mit seiner Frau seit 30 Jahren wohnt, ist der Beweis dafür. Hier liegen einfallsreich gegliederte, schwarz-weiß-graue Wohnriegel mit drei bis sechs Stockwerken in einem gepflegten Park. Hinter einem Teich steht ein Hochhaus mit einer Gitterfassade aus breiten Balkonen. Die Fenster sind so großzügig wie zumindest ein Teil der Wohnungen.
Doch in dem kleinen Viertel zeigen sich erste Zeichen der Vernachlässigung: Fensterrahmen verwittern, die Einfassung eines Vordachs rostet, an neuralgischen Punkten der Treppenhäuser platzt Beton ab. Mindestens 31 Wohnungen stehen zum Teil seit Jahren leer, ohne dass der Vermieter, G&L Powalla, dazu eine Erklärung abgegeben hätte. Die Sorge der Mieter um ihr Zuhause hat inzwischen die Bezirksversammlung Wandsbek erreicht. Die Fraktionen von GAL und SPD haben die Verwaltung aufgefordert, gegen den Leerstand einzuschreiten.
„Meine große Sorge ist, dass die Bausubstanz langsam kaputt geht“, sagt Ohlwein. Der Regen, der durch die undichten Stellen der Plattenbauten dringt, zerstört die Häuser allmählich. Eine Sanierung wird immer teurer. Zwar stehen viele Wohnungen seit langem leer. Doch auch diese werden vom Vermieter nicht saniert. „Ich habe keine Ahnung, was die für eine Politik verfolgen“, sagt Ohlwein. „Die antworten ja auch nicht.“
Vor einem Jahr hat er mit Nachbarn zusammen eine Mieterinitiative gegründet. Zur Versammlung im Gymnasium Meiendorf habe er auch die Firma Powalla eingeladen, doch von dieser sei niemand gekommen. Er schaltete den Mieterverein zu Hamburg ein, der Schäden und Leerstände akribisch auflistete: 73-mal beklagten sich Mieter über undichte Fenster, 79-mal über schadhafte Balkone, 44-mal über eine Durchfeuchtung ihrer Wohnung. Der Mieterverein bat Powalla um eine Stellungnahme. „Keine Reaktion“, sagt Ohlwein.
Über die Motive für Vernachlässigung und Leerstand kann Ohlwein nur spekulieren. „Irgendwas Komisches haben die vor“, schwant ihm. Möglicherweise sollen die Häuser abgerissen werden. „Ich kann mir vorstellen, dass das verkauft werden soll“, sagt Stefan Schmalfeldt vom Mieterverein. Für Wohnungen ohne Mieter lässt sich in der Regel ein höherer Preis erzielen. Auch eine Sanierung käme in Frage. Auch die taz bemühte sich vergeblich um eine Auskunft von Powalla.
Auf der jüngsten Bezirksversammlung beantragte die GAL, die Bezirksverwaltung möge prüfen, ob ein unerlaubter Leerstand im Sinne des Gesetzes zur Erhaltung und Pflege von Wohnraum vorliege. Der Antrag wurde aufgrund des Widerstandes von CDU und Schill-Partei in den Stadtentwicklungsausschuss überwiesen.
Dort soll auch die ausstehende Antwort auf eine große Anfrage diskutiert werden, mit der die SPD zu erfahren wünscht, ob denn der Leerstand der Wohnungen fristgerecht gemeldet worden sei und ob die Verwaltung gedenke, von ihren Handlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen – etwa indem sie dem Vermieter Wohnungssuchende vermittle.
Nach den Erfahrungen des Mietervereins ist das Wohnungspflegegesetz allerdings ein stumpfes Schwert. „Wir glauben, dass man eher durch politischen Druck etwas erreicht“, sagt Schmalfeldt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen