: Gutes Wachstum – schlechte Finanzen
Um fünf Prozent ist Kubas Wirtschaft 2004 gewachsen. Die Pro-Kopf-Verschuldung bleibt aber extrem hoch
HAMBURG taz ■ Für die privaten Zimmervermieter in Havanna war das Jahr 2004 ein gutes. Carmen Almiñaque, die seit sieben Jahren zwei Zimmer ihres Hauses an internationale Gäste vermietet, ist bis Ende Januar ausgebucht. Erstmals kamen mehr als 2 Millionen Touristen nach Kuba, und Wirtschaftsminister José Luis Rodríguez bezifferte vor dem Parlament die Wachstumsquote des Tourismussektors auf 7,5 Prozent. Für 2005 wird mit 2,3 Millionen Urlaubern gerechnet. Auch die Prognose für die gesamte Volkswirtschaft ist ausgesprochen optimistisch. 5 Prozent Wachstum sollen es sein – wie im abgelaufenen Jahr.
Doch schon 2004 ist die Wachstumsquote höher ausgefallen, als kubanische Wirtschaftswissenschaftler oder die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Cepal) es für möglich gehalten hatten. 3 Prozent Wachstum lautete die Prognose der Cepal-Fachleute angesichts von beträchtlichen Ernteausfällen durch eine hartnäckige Dürre im Osten der Insel und den erheblichen Schäden, die zwei Hurrikans im Spätsommer anrichteten – offiziell rund 2 Milliarden US-Dollar. Doch Kubas Wirtschaftsminister vermeldete Ende Dezember eine Wachstumsquote von 5 Prozent.
Besonders erfolgreich habe sich, so Rodríguez, der Export entwickelt. Um 27,3 Prozent sei der gewachsen und erstmals seit 1991 sei die 2-Milliarden-US-Dollar-Marke übersprungen worden. Der Bergbau, die Zuckerindustrie, aber auch die metallverarbeitende Industrie weisen Zuwächse zwischen 5 und 10 Prozent auf, hinzu kommt die neu gewonnene Dynamik im Tourismussektor, der Lokomotive der kubanischen Wirtschaft.
Doch mit der positiven Performance in vielen Wirtschaftssektoren ist das Wachstum allein nicht zu erklären. Kuba hat seit dem vergangenen Jahr die Erfassung des BIP umgestellt, bewertet die Leistungen der sozialen Dienste, vor allem des unentgeltlichen Gesundheits- und Bildungssystems, nun höher. Wenig exakt sei das alte Berechnungsmodell gewesen, so die offizielle Begründung. Vermutlich ist die neue Bilanzierung für das überraschend starke Wachstum mitverantwortlich. Genau überprüfen lässt sich das allerdings erst, wenn alle Daten vorliegen.
Mit der Freigabe der Daten tut sich die Zentralbank allerdings seit einiger Zeit schwer. So gebe es bei der Neuverhandlung von Altschulden keine Fortschritte, die Auslandsinvestitionen in Kuba seien rückläufig und genaue Daten über die Verbindlichkeiten des Landes seien nicht mehr zu bekommen, seit die Zentralbank ihre jährlichen Berichte eingestellt habe, so der kubanische Ökonom Hiram Marquetti.
Europäische Diplomaten in Havanna schätzen den Schuldenstand mittlerweile auf über 12 Milliarden US-Dollar. Auf dem internationalen Finanzmarkt hat Kuba nur Zugang zu kurzfristigen Krediten mit Zinssätzen von bis zu 20 Prozent. In den sinkenden Devisenreserven sehen in Kuba ansässige Auslandsbanken auch den eigentlichen Grund für die gelungene Umstellung vom US-Dollar auf den Peso Convertible vom November. Schätzungen zufolge hat die Zentralbank bis zu 500 Millionen US-Dollar abgeschöpft, die Devisenreserven so wieder aufgefüllt. Ein Polster, mit dem man vorerst durch den Winter kommen kann. Doch langfristig helfen der Regierung aus der latenten Finanzkrise, die durch die rigide US-Embargopolitik seit Juni 2004 noch verschärft wird, nur hohe Wachstumsquoten – nach welcher Berechnung, ist dann egal. KNUT HENKEL
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