„Wir wollen eine starke demokratische Opposition schaffen“

Präsidentschaftskandidat Mustafa Barghuti fordert eine Demokratisierung in den besetzten Gebieten. Gegenüber Israel beharrt er auf dem Rückkehrrecht der Flüchtlinge

taz: Was bedeutet diese Wahl für die Palästinenser?

Mustafa Barghuti: Diese Wahl ist wichtig, weil sie auf vielerlei Art helfen kann, Probleme zu lösen und ein echtes demokratisches System zu bilden. Wir haben schon seit langer Zeit darauf hingearbeitet. Die Wahl ist der einzige Weg, die Krise im palästinensischen politischen System zu lösen.

Was sind die wichtigsten Punkte Ihres Wahlprogramms?

Wir wollen die Besetzung, die es nun seit 37 Jahren gibt, zu einem Ende bringen. Wir wollen eine endgültige Lösung des Konflikts erreichen, einen richtigen Frieden. In meinen Augen können wir uns nicht mit Zwischenlösungen zufrieden geben. Wir müssen den Konflikt ganz beenden. Darüber hinaus wollen wir eine interne demokratische Reform verwirklichen und ein unabhängiges Rechtssystem etablieren. Entscheidend ist, dass eine richtige Reform angepackt wird, nicht nur kosmetische Veränderungen. Schließlich wollen wir auch die sozialen und wirtschaftlichen Probleme wie Arbeitslosigkeit und Armut angehen und der jungen Generation Möglichkeiten schaffen, zu lernen und zu arbeiten.

Wie wollen Sie die Israelis zu Verhandlungen bewegen? Scharon ist gegenüber der Idee von Verhandlungen überhaupt nicht offen.

Indem wir einen starken internationalen Druck schaffen, wie das in Südafrika gegen die Apartheid der Fall war. Wenn wir einen Machtkampf auf faire Art und Weise austragen, uns auf einen gewaltlosen Kampf des Volkes konzentrieren und die internationale Gemeinschaft mobilisieren, dann können wir eine neue Situation schaffen.

Wie wäre Ihrer Meinung nach eine Waffenruhe zu erreichen?

Auf der palästinensischen Seite gibt es schon die Bereitschaft für eine Waffenruhe, alle Gruppen sind dazu bereit. Das Problem ist Israel. Israel will keine zweiseitige Waffenruhe. Es handelt sich hier wieder um eine Frage der internationalen Hilfe.

Wie ist Ihre Position zum Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge?

Das Rückkehrrecht ist ein Recht, über das nicht verhandelt werden kann. Nur über seine Realisierung kann verhandelt werden. Zudem ist es im Völkerrecht eingebettet. Bis jetzt anerkennt Israel dieses Recht nicht, wie es auch viele andere Rechte nicht anerkennt. Das Grundproblem ist die israelische Position, denn die Besetzung muss beendet werden, bevor ein Friedensprozess beginnen kann. Israel hat bisher aber nicht angedeutet, dass es die Besetzung beenden will. Im Gegenteil, Scharon hat vor kurzem gesagt, dass die Grenzen nicht zur Waffenstillstandslinie von 1967 zurückkehren werden. Er lehnt es auch ab, sich der palästinensischen Flüchtlinge und der Jerusalemfrage anzunehmen.

Hat Arafats Tod in Ihren Augen etwas verändert?

Momentan haben wir das gleiche politische System wie vorher, nur ohne Arafat. Ich denke nicht, dass Abu Masen anders ist als dieses System. Wir haben in dieser Wahl zwei Ziele: Erstens wollen wir die Wahlen gewinnen und zweitens wollen wir Palästina in eine andere Richtung, in eine Demokratisierung des politischen Systems treiben und eine starke demokratische Opposition schaffen. Dadurch würde sich das gesamte politische System verändern. Bis jetzt hat sich nichts verändert, nicht eine einzige Person ist ausgewechselt worden. Es ist das gleiche System, nur ohne Arafat. Die Konzentration auf Arafat war so stark, dass die Menschen vergessen haben, sich das System als ein Ganzes anzuschauen.

INTERVIEW: MONIKA JUNG-MOUNIB