L’tur bei Marienhof

Im ARD-Vorabendprogramm ist jahrelang Schleichwerbung platziert worden. Die PR-Botschaften wurden auch in Drehbuchdialoge eingebaut

VON PHILIPP DUDEK

Im Mai 2003 eröffnete bei „Marienhof“ ein neues Reisebüro, das dem realen Vorbild L’tur täuschend ähnlich sah. Das Logo war in der Markenfarbe Magenta gehalten und auf den Schaufenstern stand der firmeneigene L’tur-Slogan „Nix wie weg“. Zehn Wochen lang war der Laden in der Spielkulisse der ARD-Vorabendserie in 31 Episoden zu sehen. Nach Recherchen der Nachrichtenagentur epd wurde bei „Marienhof“ auf diese Weise mindestens zehn Jahre lang systematisch rechtswidrige Schleichwerbung betrieben.

Die PR-Botschaften der zahlenden Kunden oder deren Markenzeichen wurden dabei offenbar nicht nur in die Kulissen, sondern auch in die Drehbuchdialoge der Serie integriert. Im Fall des L’tur-Reisebüros mussten die Darsteller besipielsweise die Vorzüge des Last-Minute-Urlaubs loben: „Bei Andrea gibt es richtig geile Luxusreisen für total wenig Geld. Hotel mit Vollpension, Flug und allem Drum und Dran.“

Die ARD-Produktionsfirma Bavaria Film hatte zuvor zwei Münchener Privatfirmen erlaubt, Schleichwerbung für die Serie zu akquirieren. Die Werbung wurde dabei von der Münchner Unternehmensberatung H.+S. und ihrer Schwesterfirma „Kultur und Werbung“ eingeworben. Im Rahmen der verdeckten epd-Recherchen verlangte H.+S. für 10 in die „Marienhof“-Serie integrierte Placements einen Paketpreis von 175.000 Euro.

Die Bavaria Film, die mehrheitlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten WDR, SWR und MDR gehört, hat eingeräumt, dass sie an diesen Einnahmen beteiligt wurde. „Die Erlöse sind innerhalb der Bavaria im Rahmen von zusätzlichen Developments und Eigenproduktionen eingeflossen“, sagte Bavaria-Geschäftsführer Thilo Kleine. Wie hoch die Gesamtsumme war, konnte Kleine nicht sagen.

„Das ist eine ganz große Sauerei und mit den Prinzipien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht vereinbar“, sagte der Vorsitzende des MDR-Rundfunkrats, Klaus Husemann, der taz (siehe Interview). Die Fälle müssten jetzt rigoros aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Brust genommen werden.

Der Programmdirektor der ARD, Günter Struve, erklärte, der mit der Bavaria geschlossene Produktionsvertrag verbiete jegliche Form des Product-Placements. Bei einem Verstoß könnten weitreichende Sanktionsmöglichkeiten drohen, „da es sich um einen Betrugstatbestand handeln könnte“.