piwik no script img

Das nicht nur benachteiligte Arbeitswesen

■ Forscherinnen analysierten die „Zukunft der Frauenarbeit“ / „Frauen holen auf“ - gegenüber Männern und pessimistischen Prognosen / „Frauen wollen gar keine vollständige Gleichheit, sondern 'Partner-Kompromiß-Modell'“

An den Gedanken, daß wir wohl doch nicht nur bedauernswerte Opfer des Patriarchats, sondern auch Täterinnen, Subjekte sind, mußten wir Frauen uns dank der neueren feministischen Debatten langsam gewöhnen. Gestern gingen Frauenforscherinnen an der Bremer Universität daran, in einem „Workshop“ herauszuarbeiten, daß die Spezies Frau auch auf dem Arbeitsmarkt durchaus nicht nur als minderbezahltes, teilzeitarbeitendes, bedauernswertes Objekt von Kapitalstrategien zu sehen ist. Schon in der Einladung zu dem ganztätigen Workshop (der hier leider nur sehr verkürzt wiedergegeben werden kann) hatten die Veranstalterinnen angekündigt: „Wir wollen auch fragen, inwiefern die Frauen selbst dazu beitragen, daß sie, obwohl sie in der Schulbildung die Männer schon überholt haben, in den Betrieben noch die unteren Ränge einnehmen“.

Der gutbesuchte akademische Workshop bestand aus sechs Vorträgen nebst Diskussion und war überschrieben mit dem Insiderinnen-Titel „Zukunft der Frauenarbeit - zwischen PC und KAPO

VAZ“ (Für alle die zwar wissen, daß „PC“ „Personalcomputer“ bedeutet, hier die ausgeschriebene Form von „KAPOVAZ“: KAPazitätsOrientierte, Variable

ArbeitsZeit - sprich: Frauenarbeit auf Abruf, gebräuchlich vor allem im Einzelhandel). Veranstaltet haben den „Workshop“ wissenschaftliche Mitarbeiterin

nen, die sich innerhalb der „Wissenschaftlichen Einheit Frauenforschung“ ohne Professorinnen zu einer „Arbeitsgruppe Frauenerwerbstätigkeit“ zusammenge

tan haben. Merkwürdigerweise war mit einer Ausnahme gestern auch keine Professorin zum Zuhören erschienen.

Hella Baumeister eröffnete den Reigen der Forscherinnen mit einem Vortrag darüber, wie Frauen „erzwungen oder freiwillig“ in der Grauzone des Arbeitsmarktes tätig sind. Sie lieferte mit dem Adjektiv „freiwillig“ das erste Stichwort für eine lebhafte Debatte, in der ihr immer wieder entgegnet wurde, von „Freiwilligkeit“ könne doch bei prekären Beschäftigungsverhältnissen überhaupt keine Rede sein. So lange es etwa nicht genügend Krippenplätze gebe, seien zumindest Frauen mit Kindern gezwungen, schlecht bezahlte, sozial minder oder gar nicht abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse einzugehen. Hella Baumeister sah sich schließlich „in eine Ecke gedrängt, in die ich nicht reingehöre. Ich habe auch sieben Jahre unfreiwillig Teilzeit gearbeitet. Aber ich wehre mich gegen diese 'Nur -Benachteiligungs-Sachen‘. Denn die Frauen holen auf, und nicht alle wollen Sozialabgaben zahlen.“

Hella Baumeister bezifferte die Zahl der „geringfügig Beschäftigten“ in der Bundesrepublik mit 2,3 Millionen Menschen, davon müßten 620.000 Personen, vor allem Frauen, ausschließlich mit dem etwa in Gaststätten und Privathaushalten erzielten geringfügigen Einkommen auskommen, ohne auf mitverdienende Ehemänner, Bafög oder Renten zurückgreifen zu können. Ihre Eingangs-Frage, ob die Grauzone des Arbeitsmarktes das Los der Frauen sei, wollte sie jedoch nicht eindeutig mit „ja“ beantworten. Denn zur neuen „Grauzone“ rechnete sie auch die „befristeten Beschäftigungsverhältnisse“ (mittlerweile jeder zweite neu ab

geschlossene Arbeitsvertrag), und befristete Arbeitsverträge nähmen seit Beginn der 80er Jahre sowohl Männer als auch Frauen an. Außerdem lehnte es Hella Baumeister ab, die sozial abgesicherten Teilzeitarbeitsverhältnisse der „Grauzone“ zuzurechnen: „Die reguläre, abgesicherte Teilzeit entstand, als die Arbeitgeber in den 60er Jahren den Bedürfnissen der Frauen nachgeben mußten.“

Die Forscherin Birgit Geissler wollte ebenfalls die Frauen nicht als bloße Objekte des Arbeitsmarktes beklagen: „Ich will die prekäre Lage der Frauen nicht bagatellisieren, aber ich will, daß wir von der Verschwörungstheorie abgehen, der Staat, die Arbeitgeber, die Sozialversicherer und alle Ehemänner hätten sich gegen die Frauen verbündet. Es gibt heute viel mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt, als noch vor zehn Jahren den Frauen als 'industrieller Reservearmee‘ prognostiziert wurde.“ Geissler hat bei Feministinnen, Gewerkschafterinnen und Soziologinnen die Tendenz ausgemacht, sich an der Lage der am meisten ausgebeuteten Arbeiterinnen oder der arbeitslosen Frauen zu orientieren, „um nicht den politisch Herrschenden das kleinste Argument über eine etwaige Stärkung der Frauen zu liefern, um nicht ihren politischen Frauen-Forderungen die Legitimation zu entziehen.“ Birgit Geissler stellte stark auf die „große Kompromißbereitschaft der Frauen“ gegenüber Partnern und Arbeitgebern ab. Sie betonte, daß die Mehrheit der Frauen im Lebensbereich Familie aufgrund ihres „weiblichen Habitus“ eben stärker an - allerdings sozial abgesicherter Teilzeitarbeit interessiert sei als an der „Aufhebung der geschlechtlichen Arbeitsteilung“.

Barbara Debus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen