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Mien Mouder hör Spraak

■ oder Die Sprache meiner Mutter. Der niederdeutsche Dichter Oswald Andrae las im „tik“ im Ernst-Waldau-Theater hauptsächlich für Radio-Bremen aus eigenen Werken

In ausgeprägter, fast harter Diktion las er, mal hochdeutsch, meist op Platt. Eine kräftige, wohlklingende Stimme bringt dat, wat he „mien Mouder hör Spraak“ nöömt, vör. Un dat liggt goot in de Ohr'n, nich so as dat synthetische Radio-Bremen-Hörspiel-Einheits-Platt, dat wi went sünd.

Sehr vielseitig ist das Ergebnis seines jahrzehntelangen Schaffens, heimatverbunden und politisch engagiert. Ein schönes und lebendiges Beispiel dafür, daß man diese Seite des Lebens nicht den kitschigen und reaktionären Blut-und Boden-Romantikern überlassen muß, wie das vielfach noch geschieht. Bei Andrae finden sich zarte, lyrische Naturbeschreibungen ebenso, wie entschieden pazifistische Gedanken, Umweltbewußtsein schon sehr früh und nicht aufgesetzt, und beeindruckende religiöse Motive vertragen sich durchaus mit Worten wie „Profit“ und „Konzerne“.

Dabei ist er offenbar in keiner Richtung dogmatisch festgelegt. 'Ne wohre Freid is dat Biespill, woans he de Achtunsößtiger beschrieven deit, de, all griesbärtig, in‘ Urlaub in jümmer Iglus ünner dat Lüchtfüer sitten doot un in den sien affspreizten Been‘ mit den Dwarsbalken dat anarchistische „A“ mit den Maand sien Hoff as Kringel to sehn meent. Man dat weer leider op Hochdüütsch un ut een Text, „Hundeblumentage“, de noch nich druckt is.

Viele seiner Texte sind zu Liedern geworden, von Helmut Debus (u.a.) vertont und manche davon singt er während der Lesung ohne besondere Ankündigung zwischendurch mit sicherer Stimme, un dat paßt jümmers genau doorto, wenn he so fien plietsch un achtersinnig kieken deit.

Ook för Lüüd, de nich or kuum plattsnacken köönt, is sien nee't Book „Dreeundartig Mullsbülten“ (Dreiunddreißig Maulwurfshaufen) intressant: Op je

deen Siet steiht links de plattdüütsche Text und rechts steiht doorto dat Hochdüütsche Pendant. Außerdem liegt dem Buch eine Schallplatte bei, auf der fast drei

ßig vom Autor gelesene Texte zu hören sind.

Man kann das Ernst-Waldau-Theater nicht genug loben dafür, daß es den Mut hat, solche Veranstaltungen durchzuführen. Es ist ein weiterer Schritt in die von uns schon vor Jahr und Tag bemerkte Richtung, daß versucht wird, aus der muffigen und klamaukigen Atmosphäre herauszukommen, die mit mundartlichem und „Heimat„-Theater lange Zeit fast unvermeidlich assoziiert wurde.

Mang de taz-Lesers gifft dat ok 'n Barg Ignoranten, anns harr de Sool full sien mußt. Es sind nämlich sie genau das Publikum, das durch das Werk von Oswald Andrae angesprochen sein müßte. Aber sie können das Versäumte nachholen: Radio Bremen hat einen live-Mitschnitt gemacht, der in Kürze im ersten Hörfunkprogramm im „Heimatfunk am Wochenende“ zu hören sein wird. Wir werden besonders darauf hinweisen.

Berni Kelb

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