: Anklage gegen Rabta-Dealer
Klage: Hippenstiel-Imhausen baute Giftgasfabrik mit ■ Von Petra Bornhöft
Berlin (taz) - Während im Regelfall die bundesdeutschen Kriegsprofiteure ungeschoren ihrem Geschäft nachgehen können, hat es einen jetzt erwischt. Gestern erhob die Mannheimer Staatsanwaltschaft Anklage gegen Jürgen Hippenstiel-Imhausen, den seit Mai vergangenen Jahres inhaftierten Geschäftsführer der Firma Imhausen-Chemie. Oberstaatsanwalt Peter Wechsung glaubt Imhausen nachweisen zu können, daß er am Bau der libyschen Giftgasfabrik Rabta „entscheidend mitgewirkt“ und damit die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu anderen Staaten „erheblich beeinträchtigt“ habe. Jener außenpolitische „Schaden“ wäre nicht entstanden, in Rabta würde heute nicht Giftgas produziert, wenn Beamte im Bonner Auswärtigen Amt, wie berichtet, 1985 nicht auf ihren Ohren gesessen hätten.
Imhausen werden ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Ohne die erforderliche Ausfuhrgenehmigung habe er Fertigungsunterlagen, Erzeugnisse der Meß- und Regeltechnik sowie Entsorgungseinrichtungen nach Libyen exportiert. Die Gewinne aus dem Geschäft soll Imhausen, in dessen Klitsche früher auch heftig für den amerikanischen Drogenmarkt produziert wurde, nicht versteuert haben.
In ihren seit Februar 1989 laufenden Ermittlungen konzentrierte die Staatsanwaltschaft sich zunächst auf die illegalen Ausfuhren. Die Arbeit habe „den üblichen Rahmen selbst großer Wirtschaftsstrafsachen gesprengt“, so Wechsung, „schließlich war das Ganze auf Verdunklung angelegt“. Monatelang kämpften sich Gutachter, 20 Beamte einer Sonderkommission „Rabta“ beim Bundeskriminalamt und Staatsanwälte durch 3.000 Aktenordner mit Geschäftsunterlagen und Plänen. Mehr als 200 Zeugen seien vernommen worden. Als Ergebnis bestätigten die staatlichen Arbeitsbienen das, was Geheimdienste seit Jahren und Medien Anfang 1989 berichteten oder vermuteten: Die libysche Fabrik mit dem Tarnnamen „Pharma 150“ ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht nur zur Herstellung hochtoxischer Stoffe geeignet. Sie sei vielmehr besonders zur Produktion der Giftgaskampfstoffe Sarin, Soman und Lost konstruiert worden und „allein hierzu bestimmt“.
Die Pläne für Rabta hat Imhausen verkauft, erstellt wurden sie größtenteils von einer Tochterfirma der bundeseigenen Salzgitter AG, die bekanntlich auch im U-Boot-Geschäft mit Südafrika ihre Finger Fortsetzung auf Seite 2
hatte. Man habe, so die Mannheimer Staatsanwaltschaft, „konkrete Erkenntnisse, daß die Anlage in Rabta nach den Plänen der Salzgitter Industriebau errichtet wurde“. Das Ermittlungsverfahren gegen dessen Geschäftsführer, Andreas Böhm, ist noch nicht abgeschlossen.
Ebenfalls offen die Folgen der Rabta-Affäre in Bonn. Seit über einem Jahr drückt sich Bundesaußenminister Genscher, in dessen Verantwortungsbereich sämtliche Exportskandale der letzten Jahre fallen, vor einer klaren Auskunft darüber, warum die eindeutigen Hinweise auf die geplante Giftgasfabrik 1985 im Auswärtigen Amt ignoriert wurden. Damals hatte ein Angehöriger der bundesdeutschen Botschaft per Telex unzweifelhaft den Zusammenhang zwischen der Chemiewaffenanlage und „einem deutschen Staatskonzern“ hergestellt.
Daß die Bundesregierung keineswegs den Waffenhändlern das blühende Geschäft vermiesen will, dafür steht Wirtschaftsminister Helmut Haussmann (FDP). Vor über einem Jahr kündigte der Liberale eine Verschärfung der Exportgesetze an. Zum 1. Januar 1990 sollte eine Gesetzesnovelle zur Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und der Geschäfte mit atomaren, biologischen, und chemischen Waffen in Kraft treten. Das Papier ist noch nicht einmal in den Vorzimmern des Kabinetts gesichtet worden.
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