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Trauer um Jorge Gomondai

Der Mosambikaner wurde Opfer von Rechtsradikalen/ Trauernde von Skins grölend empfangen  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Schweigend strömten sie in die Kreuzkirche: ältere BürgerInnen, Punks, StudentInnen, Familien mit ihren Kindern, Deutsche gemeinsam mit AfrikanerInnen, VietnamesInnen. Zehntausend DresdnerInnen nahmen am Donnerstag Abschied von ihrem mosambikanischen Mitbürger Jorge Joao Gomondai.

Solidarität mit den AusländerInnen in ihrer Stadt führte sie zusammen aber auch die Hoffnung, der Gewalt in ihrer Stadt gewaltlos Einhalt bieten zu können. Diese Gefühle begleiteten sie von der Kreuzkirche auf ihrem Weg durch die Stadt hin zu jenem Ort, wo der 28jährige Arbeiter am Ostersonntag von Rechtsradikalen aus einer Straßenbahn in den Tod gestoßen wurde.

„Die Würde des Menschen ist doch antastbar“, mahnte der syrische Sprecher des Ausländerbeirates der Stadt. Eine Terrorgruppe hat einen Menschen aus dem Leben gerissen. „Das kann jedem von uns täglich, jede Stunde passieren“, faßte er die Wahrheit des alltäglichen Rassismus zusammen. Eindringlich wandte er sich an die Politiker der Stadt und des Landes Sachsen, „Voraussetzungen für das Zusammenleben von Menschen aller Kulturen zu schaffen“. Auch die Kirche solle sich eindeutiger für jene einsetzen, die sich nicht wehren können.

Nichts als Sprechblasen ließ dagegen die sächsische Staatsregierung ihren Sprecher Kinze verkünden. Das Geschehene verdeutliche „in krasser Weise die Schwierigkeiten vieler Menschen, ihren Standort in der freiheitlich-demokratischen Ordnung zu finden“, posaunte er. Die Regierung des Freistaates werde sich bemühen, „gesunde, attraktive Alternativen für die Freizeitgestaltung zu finden“. Die Polizei werde sich verstärkt um die innerne Sicherheit kümmern, „ständig, personell und technisch“.

Der evangelische Superintendent Christof Ziemer forderte von den Trauernden, ihre Solidarität mit den ausländischen MitbürgerInnen zu bezeugen. Er erinnerte sich an seine Erfahrungen mit Mosambikanern. Lange vor der Wende kümmerte sich die Kreuzkirchengemeinde um die Fremden, um sie aus der Isolation des Gastarbeiterdaseins herauszuholen.

„Was ist los mit dieser Stadt?“ rief Ziemer. Seit der Wende lebten die AusländerInnen in Angst. „Wir brauchen eine Wende zu einem Geist, der auch dem Fremden Geborgenheit und Freiheit gewährt.“ Es reiche nicht, pauschal ganze Gruppen zu kriminalisieren und neue Feindbilder aufzubauen. Gemeinsamer Anstrengung bedürfe es, die Ursachen der Gewaltbereitschaft wahrzunehmen und zu bekämpfen.

Von einer „Aggressivität, die schier in der Luft liegt“, sprach der evangelische Superintendent, und diese Worte sollten sich noch auf dieser Gedenkfeier bestätigen. Als die TeilnehmerInnen nach dem Gottesdienst aus der Kreuzkirche traten warteten etwa 100 Rechtsradikale schon auf sie.

Sie grölten ihren Skin-Schlachtruf, sie riefen: „Ausländer raus“ und rannten auf die Afrikaner der Gruppe zu. Sofort stellten sich ihnen Demonstranten entgegen. Die Polizei zog erst nach, als es zu einem Handgemenge kam. Sie riegelte den Platz ab und nahm einige „Glatzen“ fest. „Diese Leute änderst du nicht mehr“, schüttelte eine junge Frau fassungslos den Kopf.

Zögernd nur fanden sich die Menschen wieder zusammen. Vielen von ihnen wurde wohl in diesen Sekunden auf dem Dresdner Altmarkt deutlich, mit wem sie es weiter zu tun haben werden in ihrer Stadt. Der Trauerzug führte sie an der Ruine der Frauenkirche vorbei, über die Augustusbrücke auf den Boulevard, der eben noch „Straße der Befreiung“ hieß.

Unweit der Stelle, wo Jorge Joao Gomondai zu Tode kam, wandte sich Marita Schieferdecker-Adolph, Ausländerbeauftragte der Stadt, an die DemonstrantInnen: „Ich hoffe, daß dieser Trauerzug Spuren hinterläßt“. Auf einer Wiese legten sie Blumen nieder vor dem Bild des jungen Mosambikaners. Mit Blumen übersäht blieb es zurück. Eine Mahnwache fand sich. Deutsche und Afrikaner gemeinsam.

Inzwischen hatte die Polizei Wasserwerfer aufgefahren und nahm 10 Rechtsradikale fest. Dem Polizeibericht zufolge laufen Ermittlungsverfahren gegen sieben „Störer“, die Baseballschläger, Gaspistolen und Reizgas bei sich hatten.

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