: Konferenzmarathon statt Hilfe
Washingtoner Koordinationskonferenz für GUS-Hilfe beschließt Nachfolgetreffen in Lissabon/ Außenminister Genscher schlägt internationale Stiftung für arbeitslose Atomexperten vor ■ Aus Washington Rolf Paasch
Für Präsident Bush ging es darum, die amerikanische Öffentlichkeit vorsichtig an die Notwendigkeit zusätzlicher Hilfszahlungen für die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion zu gewöhnen. Außenminister Genscher kam es dagegen mehr auf die Verpflichtung der Regierungen zu konkreten Hilfsprogrammen vor Ort an. Zwischen diesen unterschiedlichen Polen und Interessenlagen bewegten sich am Mittwoch in Washington die Delegationen der 47 Teilnehmerländer auf der Konferenz zur Koordinierung der Hilfe für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion.
Zum Auftakt der im Dezember von US-Außenminister Baker vorgeschlagenen Hilfskonferenz war Präsident Bush den europäischen Kritikern eines zu schwachen amerikanischen Engagements entgegengekommen und hatte dem US-Kongreß zur Verabschiedung zusätzliche Hilfsleistungen in Höhe von 645 Millionen Dollar an die GUS-Staaten vorgeschlagen. Davon sollen 585 Millionen Dollar für humanitäre und technische Hilfe ausgegeben werden, der Rest für medizinische Hilfe sowie für Ausbildungsstätten in der Landwirtschaft.
Damit haben sich die US-Verpflichtungen gegenüber den GUS- Staaten auf insgesamt rund 5 Milliarden Dollar (8 Milliarden Mark) erhöht. Davon handelt es sich bei 3,75 Milliarden Dollar jedoch nur um Kreditgarantien, die amerikanischen Bauern zugute kommen und nach dem US-Gesetz wieder zurückgezahlt werden müssen.
Ob der Vorschlag Bushs allerdings in diesem Wahljahr durch den Kongreß kommen wird, ist eher fraglich. Während einige Kongreßabgeordnete von ihrem Präsidenten in dieser Frage „leadership“ verlangen, empören sich andere über jeden Dollar, der nicht daheim für Investitions- und Sozialprogramme ausgegeben wird. An US-Reaktionen im Stile eines Marshallplans auf das Desaster der ehemaligen Sowjetunion ist jedenfalls politisch nicht zu denken.
Auch von anderen Teilnehmernationen wie den Golfstaaten und Japan werden am abschließenden Donnerstag keine neuen finanziellen Versprechungen erwartet. Der japanische Außenminister Watanabe machte dabei deutlich, daß Japan seine finanziellen Zuwendungen für die GUS-Staaten ohne eine Lösung der strittigen Kurilenfrage nicht — wie von den Europäern erhofft — deutlich erhöhen werde.
Politisch von Bedeutung und originell waren in Washington bisher nur zwei Vorschläge: Genschers Plan, zur Domestizierung der in den GUS-Staaten arbeitslos vagabundierenden Atomiker eine internationale Stiftung zu gründen. Und der Vorschlag Polens, Ungarns sowie der CSFR, in einer Art Dreieckshandel mit westlichem Geld osteuropäische Güter zu erstehen, um diese dann in die Sowjetunion zu exportieren.
Außerdem wurde in Washington beschlossen, noch in der ersten Jahreshälfte in Lissabon eine Nachfolgekonferenz abzuhalten. „Damit jeder hier bei seiner Abreise weiß, daß er demnächst in Lissabon gefragt wird, was er denn bisher getan hat“, wie es Außenminister Genscher formulierte. In Lissabon werden dann vermutlich die Fragen des finanziellen Rahmens der Hilfsanstrengungen sowie der konkreten Verpflichtungen der einzelnen Länder wieder zum Konfliktstoff werden, die man in Washington zur Demonstration von Einigkeit sorgsam unter den Teppich gekehrt hat.
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