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Whales & little fishes

■ Spoerri, Williams, Hamilton: „Whales“-Kunstprojekt in der neuen „Städtischen Galerie“

Hierhin bitte

Mann, knieend, mit Faß

Ay-O, d.i. Mr. Rainbow Man, richtet seine Fässer ein: Hand-BoxesBeide Fotos: Christopf Hiolzapfel

Ann Noel kniet vor einer vier Meter langen transparenten Plastikbahn und klebt lauter Wale auf. Der oberste ist zugleich der größte, ein Blauwal, „Das ist natürlich Marcel Duchamp,“ sagt sie. Sie markiert die „großen Fische der Kunstwelt“ und versieht sie mit dem Datum, an dem sie sie kennengelernt hat. Aus einem Koffer zieht sie eines der dreißig Tagebücher, die ihr Leben beeinhalten, und kopiert die entsprechende Aufzeichnung heraus.

Ann Noel gehört zu den little fishes der „Familie“, die sich in Städtischen Galerie am Buntentor in dieser Woche trifft, um ein Pro

jekt zu machen. Aufhänger: das 300 Jahre alte Wal-Bild des Bremer Malers Frantz Wulffhagen und eine Pretiose aus dem Westfälischen Landesmuseum in Münster, die boite en valise, die Schachtel im Koffer von Marcel Duchamp. Ein Miniaturmuseum verschiedenster Arbeiten Duchamp's, der von der „Familie“ als Ahnherr verehrt wird.

10 KünstlerInnen, eine Woche zwischen Wal und valise, zusammen, einzeln, mit- und gegeneinander: work in progress. Emmet Williams (“My Life in Flux“), hat sich die Leinwandfetzen gesichert, die beim Konservieren des

Walbildes in der Galerie abfielen (der Wal hatte lange im Überseemuseum vor sich hingegammelt); in einer Ecke traktiert er das Tuch mit dem Bleistift. Daniel Spoerri, ganz in Schwarz mit bestickter Mütze, steht am Kopierer und mault übers Essen in Bremen. Natalie Thomkins arbeitet als einzige mit Staffelei und Pinsel, und Ay-O, den sie wegen seines Faibles den Rainbow-Man nennen — er ließ z.B. einmal 300 Meter Regenbogen-Plane vom Eiffelturm wehen — kniet am Boden und hämmert auf Fässern herum. Da soll man später reinfassen, und irgendwas ist drin. Wie bei seiner Fingerbox: „Put finger in hole“ wird man aufgefordert und kann bis aufs Blut in Nägel packen.

Und noch ein Mann mit (Duchamp-)Box: Boris Nieslony aus Köln hatte sich in den 60ern in der Malerei versucht und dann Concept und Fluxus für sich entdeckt. Jetzt installiert er auch mal ein komplettes Büro, wo er Akteneinsicht anbietet. In Bremen füllt er einen „Wal-Koffer“. Die manische Sammelwut hat Nieslony mit vielen Familienmitgliedern gemein, z.B. mit Jürgen O.Olbrich, der in Kassel ganze Garagen mit recyclebarem Material vollgestellt hat. Zum Whale-Projekt trägt er eher reduziert bei, so hat er die Kundenkartei der Galerie entwendet und zur Verbesserung der Deckenstatik installiert.

Frisch am Knie operiert, hetzt der Initiator des Projekt, Wolfgang Hainke, herum und weiß nicht, wo der Kopf ihm steht, hat aber für jeden ein Ohr. Kommunikation ist Bestandteil seines künstlerischen Programms, er hat (sich) eine Hi-Tec-Ecke eingerichtet mit Computer, Mikrofilm- Lesegerät, Fax und Kopierern. Stündlich laufen hier „Wal- Faxe“ aus aller Welt ein von dazu eingeladenen Künstlern.

Im Laufe des heutigen Tages wird noch ein Star erwartet, der als Erfinder der Pop-Art gehandelt wird: Richard Hamilton, der 1956 erstmals das Wort „Pop“ in einer Collage verwandte. Er wird seinen Platz in der Familie einnehmen. Burkhard Straßmann

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