: Ein Mahnmal für Opfer und Täter zugleich
■ Die Neue Wache Unter den Linden wird zur Zentralen Gedenkstätte Deutschlands umgewandelt/ Universaldenkmal für alle Sorten Traurigkeit
Mitte. Schinkels Neue Wache wird zur Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland umgestaltet. Dies beschloß am späten Donnerstag das Bundeskabinett. Der Innenraum wird nach der ursprünglichen Gestaltung von Heinrich Tessenow aus dem Jahre 1931 wiederhergestellt. Statt Granitblock und silbernen Eichenkranz wird eine überdimensioniert nachgebildete Plastik von Käthe Kollwitz den Raum füllen: die im Orginal nur 30 Zentimeter große „Pieta“, die trauernde Mutter mit ihrem toten Sohn im Schoß. In der neuen Gedenkstätte nicht zu finden sein wird die alte Inschrift von Tessenow „1914–1918“ und erst recht nicht das DDR-Arrangement mit der Aufschrift: „Den Opfern des Faschismus und Militarismus“. Die neue Inschrift wird lauten: „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“. Bleiben sollen lediglich die in den Fußboden eingelassenen Urnen mit der Erde verschiedener Konzentrationslager. Schon am nächsten Volkstrauertag soll die Einweihung stattfinden. Zu Ende ist damit eine vor allem zwischen 1984 und 1987 heftig geführte Diskussion über ein Bundesehrenmal in Bonn. Jetzt wird man sich in der Hauptstadt verbeugen. Kanzler Kohls persönliches Engagement in dieser Sache hat schließlich auch die grundsätzliche Debatte entschieden, wem ein Universaldenkmal für alle Sorten von Traurigkeit dient. Schließlich fand er schon 1983, daß Deutschland ein Mahnmal für die „Opfer der beiden Weltkriege, die Opfer der Gewaltherrschaft und des Rassenwahns, die Opfer des Widerstands, der Vertreibung und der Spaltung unseres Vaterlandes und auch die Opfer des Terrorismus“ braucht.
Andreas Nachama, Generalsekretär der Jüdischen Gemeinde, fühlt sich von der Entscheidung über ein allgemeines Denkmal „überrascht“. „Die öffentliche Diskussion, das Prozeßhafte, ist immer Teil eines Denkmales“, findet er. Schlicht gegen die „Gleichmacherei im Tode“ ist der AL-Bezirkspolitiker Christian Stroebele. Schließlich sei es ein riesiger Unterschied, „ob Deutschland den Krieg anfängt und dadurch Millionen umkommen“ oder ob deutsche Behörden „industriemäßig organisiert Menschen in den Tod schickt“. Es geht nicht nur um das Gedenken, sagt er, sondern darum, die Toten zu ehren. Sie verdienen „unsere Achtung und unseren Respekt“. SS-Männer gehörten nicht dazu. Grundsätzliche Kritik äußerte auch Christine Fischer-Defoy, Vorsitzende des „Aktiven Museums Faschismus und Widerstand“. Die Zentrale Gedenkstätte sei aus historischen, politischen und künstlerischen Gründen abzulehnen. Prinzipiell sei sie für den „Erhalt historischer Spuren“. Dies würde bedeuten, daß man die „Neue Wache“ genau so herrichtet, wie sie 1931 war, und auf Stellwänden die spätere Umgestaltung durch die Nazis und die DDR dokumentiert. Käthe Kollwitz würde „sich im Grabe herumdrehen, wenn sie wüßte, wie ihre schlichte Pieta aufgeblasen wird und zu welchem Zweck“. Politisch sei sie „prinzipiell gegen ein Denkmal für alle“. Es sei ein „Schlag ins Gesicht der Opfer, wenn den Tätern gleichermaßen gedacht wird“. Ähnlich argumentiert auch Albert Eckert, kulturpolitischer Sprecher von Bündnis 90/ Grüne. „Statt sich mit deutscher Geschichte auseinanderzusetzen, soll sie verkleistert werden.“ Anita Kugler
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